Düsseldorf. Nur noch bei 17 Prozent liegt die NRW-SPD laut einer neuen Umfrage. Altgediente SPD-Politiker glauben aber an eine Rettung.
Gerade erst hat die NRW-SPD ihren Führungsstreit beendet und Hoffnung geschöpft, da verhagelt eine Umfrage für den WDR die Aufbruchstimmung: Laut Infratest dimap erreicht die SPD nur noch 17 Prozent in ihrem einstigen „Stammland“. Ist die Partei noch zu retten? Drei frühere SPD-Spitzenpolitiker glauben, das geht. Ein Politikwissenschaftler ist eher skeptisch.
Der Umfrage-Schock:
2017 verlor die SPD die Landtagswahl mit 31,2 Prozent der Stimmen. Danach rutschte sie bei der „Sonntagsfrage“ laut Infratest dimap immer weiter ab. Zwischen September 2020 und heute um weitere vier auf 17 Prozent. Den designierten SPD-Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty kennt jeder zweite NRW-Bürger nicht. In der Umfrage halten ihn nur 19 Prozent der Befragten für eine gute Wahl.
Christoph Zöpels Rat an die SPD: Denkt an die arbeitenden Menschen
Auf die Frage, warum die SPD so abschneidet, antwortet der frühere NRW-Landesminister und Staatsminister im Auswärtigen Amt, Prof. Christoph Zöpel (77): „Die NRW-SPD kann sich natürlich nicht vom Bundestrend abkoppeln. Außerdem gelingt es der Opposition in dieser Krisenzeit kaum, durchzudringen. Viele Menschen sind tief verunsichert und schauen vor allem auf die Regierenden.“ Außerdem habe die lange ungelöste Führungsfrage der NRW-SPD nicht gut getan. Dieses Problem sei ja nun „zum Glück gelöst“.
Laut Zöpel war es ein Fehler, dass sich die NRW-SPD nach der Landtagswahl so intensiv mit bundespolitischen Fragen, zum Beispiel mit der Großen Koalition im Bund, beschäftigt habe.“ Thomas Kutschaty nimmt er in Schutz. Der könne im Moment noch nicht bekannter sein. „Nach seiner Wahl zum Landesvorsitzenden im März wird sich das ändern. Die SPD-Anhänger werden ihre Skepsis verlieren“, sagt er voraus.
Zöpel hat eine Idee, wie seine Partei wieder gewinnen könnte: „Die NRW-SPD muss sich darüber im Klaren sein, dass es ihre traditionelle Wählerschaft in den industriell geprägten Regionen nicht mehr gibt. Sie hat aber die große Chance, sich allen arbeitenden Menschen zuzuwenden.“ Das Motto müsse lauten: „Gute und flexible Arbeit für alle, besonders aber für die Beschäftigten im Dienstleistungssektor. Dafür sollte sie eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, insbesondere mit Verdi.“ Die SPD könne viele arbeitende Menschen erreichen. „Ein Beispiel: Von 6000 Beschäftigten in einer Universität sind 5500 nicht Professoren.“
Der alte Streit um die Hartz-Gesetze ist laut Zöpel „überflüssig“. Das Thema sei beerdigt. Die SPD habe sich längst auf ein neues Konzept für einen gerechten Umbau der Sozialsysteme geeinigt.
Vier Tipps vom früheren SPD-Landesvorsitzenden Harald Schartau:
Vier Dinge sollte die NRW-SPD beachten, erklärt der frühere SPD-Landesvorsitzende und NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (67). „Erstens: Sie muss ihre eigenen Themen nach vorne bringen und nicht darauf warten, dass die CDU Probleme hat. Zweitens: Sie muss eine klare Oppositionsarbeit machen. Drittens: Sie muss sich ohne Wenn und Aber hinter Thomas Kutschaty stellen. Er kann die Partei wieder zum Erfolg führen.“
Der vierte Punkt zielt auf die Inhalte: „Die SPD sollte sich auf zwei oder drei große Themen konzentrieren: Besonders auf die Bildung in allen Variationen, von der Kita über Schule bis zur Berufsausbildung und den Hochschulen. Sie muss erklären, dass in die Bildung kompromisslos investiert werden muss.“ Die Partei solle außerdem an die Wirtschaft denken und an den gesellschaftliche Zusammenhalt.
Schartau warnt die SPD davor, sich bei anderen Parteien zu bedienen. „Ein Beispiel: Umwelt und Klimaschutz sind auch für die SPD wichtig. Aber wer sich zu sehr darauf konzentriert, der macht damit nur die Grünen stark.“
Frank Baranowski fragt nach dem Zukunftsbild der SPD
Der frühere Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski (58) rät der SPD, nach vorne zu schauen: „Der Blick auf die Ergebnisse der Kommunalwahl zeigt: Die SPD war in den Städten besonders erfolgreich, in denen es gelungen ist, ein überzeugendes Zukunftsbild zu entwickeln.“ Gleiches müsse für die NRW-SPD gelten: „Welche Vorstellung hat die Partei eigentlich vom Leben und Arbeiten im NRW des Jahres 2040?“
Die Skepsis des Politikprofessors Karl-Rudolf Korte
Prof. Karl-Rudolf Korte (62) von der Universität Duisburg-Essen sagt, die SPD habe es in der Coronakrise schwer: „Die Opposition ist in der pandemischen Distanz-Demokratie noch weniger als sonst sichtbar.“ Sie wecke auch keine Emotionen, um mehr Solidarität oder mehr Hoffnung in der Krise auszulösen. Kortes SPD-Analyse ist hart: „Ihr soziales Aufstiegsversprechen ist verschüttet. Sie agiert im Bund als Regierung und Opposition zugleich. Insofern löst sie kein Wechselklima aus“
Das SPD-Spitzenpersonal sei weitgehend unbekannt, und wenn es zuletzt doch sichtbar wurde, dann im Wettbewerb zwischen Thomas Kutschaty und Sebastian Hartmann um den Landesvorsitz. Die SPD müsse, wenn sie Erfolg haben wolle, „der Rettung eine Richtung geben - in den Farben der Sozialdemokratie mit zukunftsträchtigen Ideen beim Thema ,Arbeit der Zukunft‘.