Essen. Die Opposition im Landtag, Lehrkräfte, Studierende und Schüler fordern von Landesregierung den Erhalt des Fachs „Sozialwissenschaften“

Der Plan der Landesregierung, das Schulfach „Sozialwissenschaften“ durch das Fach „Wirtschaft/Politik“ zu ersetzen, sorgt weiter für Wirbel. Die von der Essener Studentin Kalle Huner gestartete Protest-Petition "Sowi bleibt" im Internet fand innerhalb einer knappen Woche bis Donnerstag mehr als 32.000 Unterstützer. Zur Begründung ihrer Initiative sagt sie: „Ich bin Studentin der Sozialwissenschaften. Wenn dieser Studiengang jetzt abgeschafft wird, dann bange ich um meine Zukunft. Dann werde ich das Schulfach langfristig nicht unterrichten können.“ Die Opposition im Landtag unterstützt die Initiative.

Zu den Unterzeichnern gehören auch der SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sowie die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer. „Das Vorhaben der Landesregierung ist ein fatales, ideologisch motiviertes Manöver“ begründet Beer ihre Unterschrift unter die Petition. Ihre Fraktion werde auf eine Anhörung im Landtag dringen. Kutschaty teilte mit: „Gerade jetzt ist das Fach besonders wichtig. Wir müssen Schülerinnen und Schüler zu wehrhaften Demokratinnen und Demokraten ausbilden. Deswegen brauchen wir unbedingt weiter das Fach Sozialwissenschaften.“

Ministerium: Abschlüsse behalten Gültigkeit

Wegen der anhaltenden Debatte sah sich das NRW-Schulministerium zu einer „Klarstellung“ auf seiner Homepage aufgefordert. Darin heißt es: „Die durch das neue Schulfach notwendigen Anpassungen bei den jeweiligen Studiengängen für die Qualifizierung künftiger Lehrkräfte müssen in die Lehrerausbildung übertragen werden. Dazu soll das bisherige Fach „Sozialwissenschaften“ als Lehramtsfach „Wirtschaft-Politik“ neu profiliert werden.“

Und weiter: „Die in den nächsten Jahren noch zu erwerbenden Abschlüsse behalten dabei ihre Gültigkeit.“ Bereits ausgebildete Sowi-Lehrkräfte „haben alle nötigen Voraussetzungen, das neue schulische Fach Wirtschaft-Politik fachgerecht zu unterrichten.“ Eine weitere Qualifizierung sei nicht notwendig, dennoch stehe allen Lehrkräften die Möglichkeit zur Fortbildung offen.

Kritik von Verband der Gymnasiallehrer

Der Philologen-Verband NRW – die Interessenvertretung der Gymnasiallehrer – begrüßte in einer Stellungnahme die Klarstellung des Ministeriums. Dies verschaffe Studierenden der Sozialwissenschaften Planungssicherheut und beende die Verunsicherung der betroffenen Lehrkräfte. Dennoch kritisiert der Verband die neue inhaltliche Schwerpunktsetzung des Fachs „Wirtschaft/Politik“.

Es entstehe der Eindruck, so Verbandsvorsitzende Sabine Mistler, durch die Umbenennung könne die Teildisziplin Soziologie an Bedeutung verlieren. Der Verband „kritisiert die vorgesehene Kürzung von gesellschaftlich relevanten Inhalten aus dem Bereich der Soziologie“, heißt es in einer Mitteilung. Aus Sicht des Philologenverbands sollte daher die Studienfachbezeichnung „Sozialwissenschaften“ nicht aufgegeben werden.

Appell von Schülern und Studierenden

Auch Schüler und Studierende laufen Sturm gegen die Pläne. „Durch die Abschaffung des Lehramtsfachs Sozialwissenschaften verliert der Unterricht seinen interdisziplinären Charakter, welcher das Fach ausmacht“, so Moritz Bayerl vom Vorstand der Landesschülervertretung. Die Schüler befürchten, dass unter der Neuausrichtung des Fachs der Politikunterricht „weiter leidet“.

Rückenwind bekommen sie von Studierenden: „Die aktuellen Lehramtsstudentinnen und Lehrerinnen haben sich ganz bewusst dafür entschieden Sozialwissenschaften zu vermitteln. Deshalb muss das Fach erhalten bleiben“, sagt Lisa Fullert vom Landesvorstand der Lehramts-Fachschaften.