Düsseldorf. NRW liegt bei den Impfungen nur auf Platz 14. Warum? Weil Daten verzögert weitergegeben werden und andere Länder Teile der Notreserve verimpfen.
„Schlusslicht“ ist in NRW ein Reizwort. Der Landtagswahlkampf 2017 von CDU und FDP fußte zu einem guten Teil auf der Botschaft, das Land dürfe wirtschaftlich und finanziell nicht mehr Schlusslicht in Deutschland sein. Nun scheint das bevölkerungsreichste Bundesland ausgerechnet beim wichtigen Thema Impfen zu schwächeln. Seit Tagen liegt es in der Rangliste des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei den verabreichten Impfstoffdosen auf hinteren Plätzen. Warum nur?
Welchen RKI-Ranglistenplatz belegt NRW aktuell?
Am Montag war es Platz 14 unter 16 Ländern, am Wochenende war NRW sogar vorletzter. 1,6 Prozent der Bevölkerung hat hier laut RKI eine Erstimpfung bekommen. Die „Spitzenreiter“, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, kommen auf 3,1 beziehungsweise 3,0 Prozent. Ganz hinten liegen im Moment Hessen und Baden-Württemberg (beide 1,5 Prozent).
Wie schneidet NRW im internationalen Vergleich ab?
Mäßig. In NRW gibt es rund 16 Geimpfte pro 1000 Einwohner, in Großbritannien 100, in den USA 62, in Spanien 25.
Wie erklärt das NRW-Gesundheitsministerium den Rückstand im nationalen Ranking?
Vor allem mit Meldeverzögerungen. Die Zahle des RKI spiegelten nicht die tatsächliche Zahl der Geimpften an Rhein und Ruhr. Laut RKI sind in NRW bisher insgesamt rund 290.000 Erstimpfungen verabreicht worden. Das NRW-Gesundheitsministerium nennt auf seiner Homepage etwa 340600 Erstimpfungen. Bei den Zweitimpfungen will NRW mit 93.200 sogar etwa doppelt so viele Impfdosen verabreicht haben, wie die RKI-Statistik ausweist.
„Die Impfungen in NRW erfolgen zurzeit ausschließlich durch mobile Impfteams“, erklärt ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. „Hier kommt es aktuell noch zu Meldeverzügen, bis die Zahl der täglich geimpften Menschen mit dem dazu erforderlichen Datensatz an das RKI übertragen werden kann.“ Das Ministerium gehe davon aus, dass durch den Start der Impfzentren in NRW der Meldeverzug „deutlich abgebaut“ werden könne.
Was sagt die Opposition?
Aus Sicht von Grünen und SPD funktioniert die Impfstrategie, die zunächst nur auf Impfungen in den Altenheimen setzte, in NRW nicht gut. SPD-Gesundheitsexperte Josef Neumann sagte dieser Redaktion, die Impfkampagne verlaufe „mehr als holprig“, weil landesweite und konkrete Vorgaben fehlten. „Stattdessen haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die Impfungen in den Altenpflegeheimen je nach Kommune mal mehr und mal weniger gut organisiert“, so Neumann.
Der Erfolg hänge bisher in NRW zu sehr ab von der Zusammenarbeit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung, Altenheimen und örtlichen Gesundheitsbehörden. Oftmals würden die Daten von Geimpften nicht sorgfältig genug registriert. „Für die bessere Erfassung der Daten und einen reibungsloseren Ablauf der Impfungen wäre es besser gewesen, die Impfzentren schon früher „im kleinen Stil“ zu öffnen“, so Neumann.
Gibt es weitere Gründe für den Rückstand?
NRW legt im Gegensatz zu einigen anderen Ländern konsequent die Hälfte der gelieferten Impfdosen zurück, um jedem Geimpften die erforderliche zweite Impfung garantieren zu können. Durch die aktuellen Lieferprobleme bei Biontech/Pfizer und Astrazeneca sieht sich das Land in dieser Strategie bestätigt. Alle Bundesländer halten eine Sicherheitsreserve zurück, aber zum Beispiel legen Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Berlin und Bayern diese Reserve großzügiger aus als NRW. Auch deshalb ist das Impftempo dort größer.
Rheinland-Pfalz hat übrigens schon am 7. Januar alle 31 Impfzentren geöffnet. Personen über 80 Jahren erhalten dort schon längst Termine, in NRW starten die Impfzentren erst am 8. Februar und sind dann vorerst nur nachmittags offen.
Frank Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Wohlfahrtspflege (rund 1300 Pflegeeinrichtungen) will die vergleichsweise geringe Quote in NRW nicht kritisieren. Das konsequente Zurückhalten von Impfdosen für die Zweitimpfungen sei ein „sauberes Doppelimpfungsregime“, folge wissenschaftlichen Empfehlungen und sei „nachvollziehbar und vernünftig“. (mit jes)