Essen. Im Kampf gegen Corona reicht Lüften allein nicht aus, sagen Experten. Sie fordern den flächendeckenden Einsatz mobiler Lüftungsanlagen.
Eine virenfreie Raumluft lässt sich in Schule und anderen geschlossenen Räumlichkeiten nicht allein über regelmäßiges Lüften erreichen. Selbst das so genannte Stoßlüften funktioniert im Winter nur bedingt. Zu dieser übereinstimmenden Einschätzung kommen Experten, die auf Einladung der Ingenieurkammer-Bau NRW und der Energie-Agentur NRW auf einer Online-Konferenz über Chancen und Grenzen des Corona-Schutzes durch Luftfilteranlagen diskutierten.
In Klassenzimmer wird es unzumutbar kalt
Um einen ausreichenden Luftaustausch erreichen zu können, müsse man in Klassenräumen alle zehn Minuten fünf Minuten lang die Fenster öffnen, erläuterte Prof. Christian Kähler. Bei frostigen Außentemperaturen werde es dann in Klassenzimmern unzumutbar kalt, sagte der Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr in München.
https://www.waz.de/politik/landespolitik/immer-mehr-coronafaelle-und-quarantaene-an-den-schulen-in-nrw-id230875562.htmlAuch Ralph Wortmann, Inhaber eines Ingenieurbüros für Wärme- und Energietechnik in Bochum, hält wenig bis nichts vom derzeitigen Lüftungskonzept an Schulen: Man sei doch drinnen, weil es draußen zu kalt sei. „Will man so lüften, dass es etwas nützt, dann braucht man eigentlich keine Schulgebäude mehr und kann gleich draußen unterrichten“, spitzte es der Ingenieur zu. Wortmann kritisierte zudem, dass die Lüftung von Schulräumen und Klassenzimmer in NRW stiefmütterlich behandelt werde. Seit Jahren gebe es leistungsfähige Lüftungsanlagen. Doch bislang fehle der politische Wille, Schulen entsprechend auszurüsten.
Kurzfristig helfen mobile Anlagen
https://www.waz.de/staedte/gladbeck/gladbeck-erhaelt-keine-foerderung-fuer-luftreiniger-an-schulen-id231037020.htmlAuch Christian Kähler sprach sich für eine flächendeckende Versorgung der Schulen mit Lüftungstechnik aus. Kurzfristig könne dies mit mobilen Anlagen geschehen. Entscheidend sei dabei der Einsatz hochwertiger Technik der Filterklassen H13 und H14. Nur diese Geräte seien in der Lage, nahezu hundert Prozent der Aerosolpartikel in der Raumluft abzuscheiden. „Die entsprechenden Lüfter arbeiten sehr leise und können die Luft in einem Klassenraum üblicher Größe sechsmal pro Stunde komplett austauschen“, sagte Kähler. Kostenpunkt pro Schulklasse: rund 4000 Euro. „Für 1,5 Milliarden Euro kann man also sämtliche Schulen in Deutschland mit mobilen Luftreinigern ausstatten“, so der Forscher. Kähler warnte indes vor Luftfilter mit UV-C-Licht oder Ionisierung. Sie seien nicht effizient genug.
In der kalten Jahreszeit herrscht in beheizten Räumen meist sehr trockene Luft
Der Biologe und Virologe Rolf Kaiser veranschaulichte die Dringlichkeit des Luftaustausches in Klassenzimmern. Während der kalten Jahreszeit herrsche in beheizten Räumen meist sehr trockene Luft, so der Mediziner der Uniklinik Köln. Weil trockene Schleimhäute schnell rissig würden, könnten Viren leichter eindringen. Ins Reich der Legenden verwies Kaiser die weit verbreitete Annahme, eine erhöhte Erregerkonzentration in der Raumluft trainiere das Immunsystem. Es gebe keinerlei belastbare Studien, die dies belegten.