Solingen. Obwohl die Landesregierung den Hybrid-Unterricht untersagt hatte, testete ihn eine Schule. Dafür nimmt der Schulleiter eine Abmahnung in Kauf.
Am Tag nach dem Testlauf steht das Telefon nicht mehr still und minütlich trudeln Mails mit Glückwünschen aus der ganzen Republik ein. „Die Unterstützung ist riesig“, sagt Schulleiter Andreas Tempel. Schulleitungen, Lehrer, Schüler, sogar der recht streitbare SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich zu Wort gemeldet und den „Solinger Weg“ gelobt. Trotz ausdrücklichen Verbots seitens des Landes hat die Alexander-Coppel-Gesamtschule in Solingen am Mittwoch ihre Schüler „hybrid“ unterrichtet - die Hälfte online aus der Distanz, die andere im Klassenraum.
Für diesen Alleingang nimmt Schulleiter Andreas Tempel sogar eine Abmahnung in Kauf: „Die hänge ich mir im Goldrahmen an die Wand. Und würde dazu auch gerne die Presse einladen und begründen, warum ich das tue“, erklärte der Schulleiter im Gespräch mit unserer Redaktion. Den passenden goldenen Rahmen haben ihm seine Schüler bereits gebastelt und am Donnerstagmorgen überreicht. „Weil Sie sich für uns einsetzen und wollen, dass wir gesund bleiben.“
Schulleiter kritisiert Basta-Politik der Schulministerin
Ob der Anweisung aus Düsseldorf sah er sich zu bürgerschaftlichem Ungehorsam verpflichtet: „Ich bin zwar Beamter, das bedeutet aber nicht, dass ich an der Garderobe meine Stimme abgebe“, sagt Tempel. Die Order aus Düsseldorf nennt er deshalb auch „einen riesengroßen Blödsinn“ und ein „Armutszeugnis, dass dem Schulministerium nichts anderes einfällt als Maskenpflicht, Lüften und warme Kleidung.“
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Drum will sich der Solinger Schulleiter mit der Order von Schulministerin Gebauer auch nicht zufrieden geben: „In einer Demokratie muss so was ausdiskutiert werden“, sagt Tempel, der auch der Sprecher der Solinger Gesamtschulen ist. „Eine Basta-Politik wie wir die gerade in vielen Ländern der Welt sehen, möchte ich nicht hier bei uns haben.“
Hybrid-Unterricht trotz Verbots - noch keine Reaktion der Landesregierung
Rückendeckung für sein Handeln gibt es von vielen Seiten: Vom Oberbürgermeister etwa. Und das Lehrerkollegium steht ebenfalls komplett hinter ihm, „was in einer Schule schon selten ist“, weiß der Schulleiter. „Und auch, dass man mit Applaus im Lehrerzimmer begrüßt wird.“ So sei es am Donnerstagmorgen gewesen.
Übrigens: Die eigentlichen Adressaten der Aktion, die Landesregierung, allen voran Schulministerin Gebauer, haben sich hingegen noch nicht gerührt. Weder von der Bezirksregierung noch der Landesregierung hat Tempel am Donnerstagnachmittag eine Reaktion bekommen. Dass es die noch gibt, damit rechnet der Schulleiter ehrlich gesagt nicht.
Stadt Solingen wehrt sich gegen Verbot der Teilung von Schulklassen
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Auch der Schulträger, die Stadt Solingen, will sich mit dem Veto der Landesregierung nicht zufrieden geben und wehrt sich mit einer so genannten „Remonstration“ gegen das verhängte Verbot der Teilung von Schulklassen. Die Stadt sieht ein „nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial“ durch die vielen Corona-Infektionen vor Ort. Derzeit gibt es an nahezu der Hälfte der Solinger Schulen Covid-19-Fälle, rund 1000 Schüler befinden sich in Quarantäne. Die Kommune spricht von einer „erheblichen konkreten Gefahr“, dass aus Familien Infektionen in die Schulen getragen werden.
Fünf bestätigte Corona-Fälle gibt es derzeit an der Alexander-Coppel-Gesamtschule in Solingen. Knapp 200 Schüler und 25 Lehrkräfte sind aktuell in Quarantäne. Für eine Schule, die von der Größe schon einem „großen mittelständischen Unternehmen“ ähnelt (1350 Schüler, 145 Mitarbeiter), wie es Tempel sagt, eigentlich eine gute Quote. Das mag auch daran liegen, dass sich Schulleitung und Schülervertretung nach Aussetzen der Maskenpflicht am 1. September gemeinsam positioniert und aufgerufen hatten, weiter Maske zu tragen.
Eine Möglichkeit, wieder „hybrid“ zu unterrichten, sieht man in Solingen dennoch. Laut einer neuen Ordnungsverfügung zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung können Schulleiter entscheiden, dass die Lage an ihrer Schule nicht mehr beherrschbar ist, und Hybridunterricht verlangen. Allerdings auch das nur in Absprache mit den Landesbehörden. Und die einzelnen Schulen müssen begründen, dass es keine Alternative mehr gibt. Geht es nach Andreas Tempel, kann seine Schule sofort damit los legen.
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