Düsseldorf. Nur wenige Schüler sind in Solingen in Quarantäne, so Schulministerin Gebauer. Daher gebe es keinen Anlass, dort Klassen zu teilen.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat am Mittwoch ihre Entscheidung, der Stadt Solingen die Teilung von Schulklassen zu verbieten, mit Zahlen zum Infektionsgeschehen begründet. „Solingen hat 40 Schulen, davon bieten 39 Präsenzunterricht für alle Klassen an“, sagte sie vor einer Sitzung des Landtags-Schulausschusses. Nur zwei Prozent der Schüler befänden sich in Quarantäne. Von 1531 Lehrern seien sieben in Quarantäne, eine Lehrkraft sei Corona-positiv.

Diese Zahlen spiegeln aber das Infektionsgeschehen vor einer Woche. Laut der Stadt Solingen liegt die Zahl der aktuell betroffenen Schüler, die nicht im Präsenzunterricht sind, bei knapp 600.

Kein "massives Infektionsgeschehen" an Solinger Schulen

Begründen ließe sich eine Teilung von Klassen nur mit einem „massiven Infektionsgeschehen“, so Gebauer. Dieses lasse sich zwar für die Stadt Solingen feststellen, nicht aber für die Schulen. Sie bittet daher den dortigen Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), das Verbot des „Solinger Wegs“ zum Eindämmen der Infektionen zu respektieren. Die Stadt wollten die Klassen halbieren und die Schüler bis Ende November zu 50 Prozent digital unterrichten, um Schulschließungen zu vermeiden. Gebauer warnte die Verantwortlichen in Solingen davor, diesen Plan doch noch zu verwirklichen: „Niemandem wäre geholfen, wenn die Stadt auf anderem Weg Schulschließungen erreichen möchte.“

Das „Solinger Modell“ könne nicht flächendeckend in NRW zu Anwendung kommen, so die Schulministerin. Pauschaler Distanzunterricht sei „kein angemessenes Mittel“. Das Ausbremsen der Kommune sei in diesem Fall keine Entscheidung gegen Solingen, sondern für die Bildungsgerechtigkeit im ganzen Land.

Gebauer. Instrumente für mehr Infektionsschutz liegen bereit

Im Übrigen gebe es andere Möglichkeiten, um den Infektionsschutz zu verbessern. Dazu gehörten veränderte Stundenpläne und ein zeitlich entzerrter Unterrichtsbeginn zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr. Das Land habe gerade sein Programm für 1000 zusätzliche Schulbusse bis zu den Weihnachtsferien verlängert, um überfüllte Busse zu vermeiden. Schulleitungen könnten laut der Rechtsverordnung zum Distanzunterricht das Ende des Präsenzunterrichts beantragen.

Gesundheitsministerium befürchtet Auswirkungen auf die Akzeptanz der Coronamaßnahmen

Das NRW-Gesundheitsministerium begründet die Entscheidung, Solingen bei den Klassenteilungen auszubremsen, unter anderem mit der Sorge, dass die Corona-Schutzmaßnahmen der Bevölkerung dann kaum noch vermittelbar seien. Die Maßnahmen einer Stadt dürften nicht ausgerechnet Bereiche wie die Schule betreffen, die ausdrücklich von den Schließungen ausgenommen sein sollen, heißt es in der Begründung des Ministeriums an die Stadt Solingen, die dieser Redaktion vorliegt. Darin heißt es: "Die Maßnahmen der Stadt Solingen bergen die Gefahr, dass das Verständnis in der Bevölkerung für die Maßnahmen insgesamt sinkt." Ohne die Mitwirkung der Bürger könnten Infektionsketten nicht durchbrochen werden. Solingens Sonderweg behindere daher "überörtliche Interessen".

Die Bildungsgewerkschaft GEW hatte den Solinger Alleingang zuvor gelobt. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty warf der Landesregierung am Dienstag vor, sie falle der Kommune mit dem Verbot „in den Rücken“.

Kutschaty legte am Mittwoch nach und sagte, das Land gehe „mit der Brechstange“ auf die Stadt Solingen los. Die Regierung verbiete ihr, den RKI-Empfehlungen zum Teilen von Klassen ab einem Inzidenzwert von 50 zu folgen, weil sie der Öffentlichkeit eine „Normalität im Schulbetrieb vorspielen“ wolle. Das Infektionsgeschehen sei in Solingen wie in vielen anderen NRW-Städten auch an Schulen äußerst dynamisch. Aktuell sei die Hälfte der Schulen mit insgesamt 28 Klassen in Solingen von Quarantäne-Anordnungen betroffen.

VBE kann Entscheidung gegen Solingen nachvollziehen

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW äußerte am Mittwoch Verständnis für das verbot des "Solinger Wegs". VBE-Landeschef Stefan Behlau sagte: „Sicherlich kann es in der jetzigen Situation gute Gründe geben, regionale Entscheidungen zu treffen. Allerdings helfen keine Alleingänge einzelner Kommunen, dafür sind die Vernetzungen mit Nachbarkommunen und Kreisen zu groß." Wenn zu dem jetzigen "föderalen Flickenteppich" auch noch ein kommunaler dazukomme, bestehe die Gefahr, "nicht nur den Überblick zu verlieren, sondern auch das Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen“.

Der VBE ist aber grundsätzlich unzufrieden mit der Situation an den Schulen. Sie belaste die Kinder und das Schulpersonal stark. „Es gibt keine einfachen Lösungen für die derzeitige Situation an den Schulen, es kann eigentlich nur weniger schlechte und schlechte Entscheidungen geben“, so Behlau. „Das ist leider das Resultat der Versäumnisse der Vergangenheit und der Gegenwart, Schulen sowohl personell als auch baulich wenig zukunftsfest aufgestellt zu haben. Und jetzt sollen die Kolleginnen und Kollegen vor Ort die Quadratur des Kreises liefern und den Spagat zwischen Bildung, Betreuung und Gesundheitsschutz meistern.“