Essen. In NRW gelten landeseinheitliche Corona-Regeln für Risikogebiete. Amtsärzten fordern auch für Nicht-Hotspots ein einheitlicheres Vorgehen.
In der Diskussion um einheitliche Corona-Schutzmaßnahmen in NRW fordern Ärzte in nordrhein-westfälischen Gesundheitsämtern auch für Nicht-Risikogebiete ein gleichartiges Vorgehen gegen das Virus. „Allein auf die Fragen, wer wo auf das Virus getestet wird und welche Schüler im Fall der Fälle in Quarantäne geschickt werden, haben wir in NRW einen bunten Teppich von Antworten“, kritisierte Anne Bunte, Vorsitzende des Landesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes NRW. „Das ist weder hilfreich noch fördert es das Verständnis in der Bevölkerung für die Maßnahmen.“
Das konkrete Vorgehen in den Städten und Gemeinden hänge zu oft von politischen Entscheidungen vor Ort ab, kritisierte Bunte gegenüber dieser Redaktion. „Wie sehr da die fachliche Meinung des Amtsarztes berücksichtigt wird, ist von den Personen und Strukturen vor Ort abhängig.“
Politiker müssten auf vielerlei Druck etwa von Eltern, Betroffenen oder aus der Stadtgesellschaft reagieren. „In dieser Krise müssen aber fachliche Einschätzungen losgelöst von politischen Zwängen sein“, forderte die NRW-Sprecherin der Amtsärzte.
Landeseinheitliche Maßnahmen für Hotspots
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte zunächst für Hotspots landeseinheitliche Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie angekündigt. Das sind kreisfreie Städte und Kreise gemeint, die die Grenze von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche überschritten haben - darunter Düsseldorf, Essen und Köln.
Wie die Landesregierung am Montagabend via Erlass an die Bezirksregierungen anordnete, sollen sogar schon ab einem Wert von 35 landesweit in allen Kommunen schärfere Maßnahmen gelten. Wie aus dem neuen Erlass hervorgehe, gehört zu den Vorgaben eine Maskenpflicht bei Konzerten oder Sportveranstaltungen. Veranstaltungen und Versammlungen mit mehr als 1000 Personen werden laut Darstellung in den betroffenen Regionen verboten - ausgenommen seien angemeldete Demonstrationen, bei denen aber die Abstandsregeln gelten. Wird die Grenze von 50 Neuansteckungen überschritten, gelten weitere Verschärfungen.
Amtsärztin Bunte setzt sich für die Einrichtung einer regionalen Koordinierungsstelle ein. Über diese sollten sich Gesundheitsämter stärker vernetzen, ihre Strategien und auch Interpretationen des Infektionsgeschehens aufeinander abstimmen. Laut Bunte könnte auf diesem Weg auch erreicht werden, dass unzureichend mit Fachärzten besetzte Ämter schneller als bisher an Expertise kommen.
In den Gesundheitsämter fehlen Infektionsexperten
Denn die Personalsituation in den Gesundheitsämtern sei weiterhin besorgniserregend, sagte die Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Gütersloh. „Konkrete Zahlen geben die wenigsten Städte und Kreise heraus, aber es gibt überall unbesetzte Stellen.“ Mangelware seien Infektionsexperten, aber auch seit Jahren Psychiater, Kinderärzte und Allgemeinmediziner.
Für eine zentrale Koordinierungsstelle werben auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Johannes Albert Gehle sagte jüngst in Münster, dass die Kommunen bei Eindämmungsmaßnahmen ihre eigenen Wege gingen. „Dabei ist vieles politisch gewollt“, so Gehle. Auch um das Verständnis in der Bevölkerung zu verbessern, brauche es ein überregional einheitliches Vorgehen und zentral koordinierte Corona-Schutzmaßnahmen. NRW sei regional nicht so aufgestellt, wie es im Pandemiefall nötig wäre.
Seit Start der Pandemie wird immer wieder darüber diskutiert, wie sehr Coronaschutzregeln vereinheitlich oder von lokalen Gegebenheiten abhängig gemacht werden sollen. Der Städte- und Gemeindebund hat dazu bereits zu Beginn der Corona-Pandemie Bürgermeister befragt, die sich zum Teil sogar mehr Entscheidungsbefugnisse vor Ort gewünscht hatten.