Düsseldorf. Viele Experten raten gerade jetzt zur Grippeschutzimpfung: eine hohe Grippe-Impfquote könnte im Kampf gegen die Pandemie helfen.
„Gegen Corona hilft noch keine Impfung. Aber gegen Grippe!“, steht auf Plakaten, mit denen NRW-Regierung, große Teile der Ärzteschaft und Klinikbetreiber in diesen Wochen landesweit für die Grippeimpfung werben. Grippe ist in jedem Jahr ein wichtiges Thema, im Pandemiejahr 2020 aber umso mehr.
Warum raten das Land NRW und viele Ärzte zur Grippeimpfung?
Weil die echte Grippe (Influenza) tödlich enden könne, betont Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Je nach Schwere der Grippewelle werden fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland infiziert, Millionen Menschen müssen in manchen Jahren wegen der Grippe zu Arzt, Zehntausende ins Krankenhaus. Die ungewöhnlich starke Grippewelle 2017/18 soll in Deutschland laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) etwa 25.000 Menschen das Leben gekostet haben. In der vergangenen Grippesaison (Oktober bis Mai) wurden in NRW rund 27.000 Influenza-Fälle gezählt. 63 Menschen starben nachweislich daran in Krankenhäusern.
Wer sollte sich impfen lassen?
Alle Personen ab 60 Jahren, Schwangere ab der 14. Schwangerschaftswoche, chronisch Kranke, Bewohner von Pflegeheimen, medizinisches Personal mit Patientenkontakt, Personen mit vielen Kontakten zu anderen Menschen. Firmen wird geraten, ihre Mitarbeiter mit der Impfung zu schützen. Die Gesundheitsbehörden raten aber nicht grundsätzlich jedem Bürger, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Viele Krankenversicherungen übernehmen die Kosten, wenn der Arzt die Impfung befürwortet. Dennoch: Besser mit der eigenen Versicherung vorher abklären. Einen 100-prozentigen Schutz bietet die Influenza-Impfung übrigens nicht.
Wann ist die Impfung sinnvoll?
„Der richtige Zeitpunkt ist im Oktober und November“, erklärt Dr. Volker Schrage aus dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. So habe der Körper ausreichend Zeit, einen Impfschutz aufzubauen, der auch über den Höhepunkt der Grippewelle hinweg anhalte.
Wie ist die Grippe-Impfbereitschaft?
In diesem Corona-Jahr wohl deutlich höher als zuvor, heißt es. Besonders das medizinische und das Pflegepersonal nehmen das Thema offenbar ernst. Die Nachfrage liege in Kliniken 50 bis 100 Prozent über der der Vorjahre, so Jochen Brink, Chef der Krankenhausgesellschaft NRW. Im vergangenen Jahr ließ sich etwa jeder zweite Mediziner und jeder dritte Bürger über 60 gegen Grippe impfen. Zwei von 16 Millionen gesetzlich Versicherten in NRW nutzten 2019 das Angebot. Nach Einschätzung der Ärzteschaft und der Gesundheitsbehörden waren das zu wenige.
„Wenn sich in dieser Grippesaison acht bis zehn Millionen Menschen in NRW impfen ließen, wäre das ein Bombenerfolg“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Das wäre die Hälfte der NRW-Bevölkerung. Realistisch scheint das allerdings nicht zu sein, denn der bisherige Impfstoff-Vorrat von 32 Millionen Dosen reicht nur für etwa 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland.
Hilft die Grippeschutzimpfung im Kampf gegen Corona?
Ja, sagen die Experten. Denn eine hohe Influenza-Impfquote verhindere schwere Krankheitsverläufe und trage dazu bei, dass Intensivbetten und Beatmungsplätze frei bleiben für die Behandlung von Covid-19-Patienten. Die Impfung entlaste auch das medizinische Personal, weil dann weniger Corona-Verdachtsfälle zu klären wären. Die Symptome von Covid-19 und Influenza ähneln sich.
Schützt die Grippe-Impfung vor dem Coronavirus?
Dafür gibt es keinen Beleg. „Schutz wäre übertrieben“, sagt Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Denkbar sei aber, dass Menschen, die gegen Grippe geimpft sind und an Covid-19 erkranken, wegen des aktivierten Immunsystems auf einen etwas milderen Corona-Verlauf hoffen könnten. Eines ist laut Gehle klar: „Die Grippeimpfung schadet auf jeden Fall nicht mit Blick auf Corona.“
Was ist mit Nebenwirkungen?
In der Regel soll der saisonale Influenza-Impfstoff gut verträglich sein. Möglich sind aber kurzzeitig Erkältungssymptome wie Fieber, Frösteln Schwitzen, Müdigkeit oder Gliederschmerzen. Wer mehr als 38,5 Grad Fieber hat oder an einer schweren akuten Infektion leidet, sollte auf eine Impfung zunächst verzichten, sie aber so bald wie möglich nachholen. „Es gibt keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen“, so Volker Schrage.
Wie verhalte ich mich, wenn ich Grippe habe?
Kontakt zu anderen Menschen sollte dann möglichst vermieden oder mindestens zwei Meter Abstand gehalten werden. Außerdem wichtig: Händewaschen, Einwegtaschentücher verwenden, zu Hause bleiben und dort regelmäßig lüften. Wenn die Beschwerden zunehmen: den Arzt konsultieren.