Düsseldorf. Brauchen wir eine Extremismus-Studie über die Polizei? Gewerkschafter sind uneins. Forscher aus Bochum rät dringend zu einer Studie.
Im Zuge des Skandals um rechtsextreme Chatgruppen flammt der Experten-Streit über den Sinn einer Studie zu Rechtsextremismus bei der Polizei wieder auf.
„Die aktuellen Fälle zeigen einmal mehr, wie wichtig eine unabhängige, wissenschaftliche Studie zu den Einstellungen von Polizisten in Deutschland wäre. Wir haben hier schon viel Zeit verloren“, sagte Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, dieser Redaktion.
"Das rüttelt an den Grundfesten des Vertrauens in die Polizei"
Fiedler glaubt nicht, dass die Polizei in der Breite ein Problem mit Rechtsextremismus hat. „Es gibt aber keinen Grund dafür, nicht einmal wissenschaftlich genau hinzusehen.“ Jedenfalls rüttele das, was in Essen und Mülheim geschehen ist, an den Grundfesten des Vertrauens in die Polizei.
Michael Maatz, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, hält dagegen. Die nun bekannt gewordenen Fälle müssten natürlich vollständig aufgeklärt werden, aber dazu brauche man keine Studie: „Eine unabhängige Studie über Rechtsextremismus bei der Polizei machte nur dann Sinn, wenn die Polizei ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus hätte. Das ist aber nicht so“, sagte Maatz. Die Polizei fürchte keine wissenschaftliche Untersuchung, aber diese Studie sei wirklich entbehrlich.
"Da fällt nichts unter den Tisch"
„Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Von den rund 50.000 Beschäftigten in der NRW-Polizei stehen etwa 0,1 Prozent unter Rechtsextremismusverdacht“, so Maatz. Er erinnert daran, dass die aktuellen Fälle in NRW durch interne Ermittlungen aufgedeckt wurden. „Das zeigt, dass da nichts unter den Tisch fällt.“
Die Innenexpertin der Grünen im Bundestag und Ex-Polizistin Irene Mihalic fordert dagegen mit Nachdruck eine unabhängige Studie zu verfassungsfeindlichen Einstellungen von Polizisten. „Sie könnte ein Frühwarnsystem sein für gefährliche Entwicklungen“, sagte sie. Im Fall der beschuldigten Beamten in NRW müsse „jeder Stein umgedreht“ werden.
Forscher Singelnstein: "Hier sind gute Vorgesetzte gefragt"
„Man muss leider sagen, dass die Polizei ein strukturelles Problem mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen hat. Und die Polizei muss sich proaktiv damit auseinandersetzen“, erklärte der Kriminologe Prof. Tobias Singelnstein von der Ruhr-Uni Bochum. Unter anderem seien Vorgesetzte gefragt, „die für eine demokratische Kultur sorgen. Die klar stellen, dass Wörter wie ,Kanake' oder ein rassistischer Witz nicht toleriert werden.“
„Hier wird etwas sichtbar, von dem wir im Grunde schon lange wissen: In der Polizei gibt es einen gewissen Teil von Beamten mit rechtsextremen und rassistischen Einstellungen“, so Singelnstein. Älteren Untersuchungen zufolge hätten etwa fünf bis 15 Prozent der Polizisten solche Einstellungen.