Düsseldorf. Die Krise verändert das Wahlverhalten, erklärt ein Politikprofessor. Amtsinhaber profitieren, kleine Parteien leiden.

Die Corona-Pandemie dürfte einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse der Kommunalwahl am 13. September in NRW haben. Der Politikprofessor Norbert Kersting von der Universität Münster und sein Doktorand Jan Philipp Thomeczek rechnen mit einem „veränderten Wahlverhalten“, unter dem insbesondere kleine Parteien und neue Kandidaten leiden könnten. Amtsinhaber hätten dagegen tendenziell eher gute Chancen.

Die jüngste Kommunalwahl-Umfrage von Infratest dimap für den WDR spiegelt dies wider. Rein psychologisch könnten sich viele Wähler gegen Experimente und für ,safety first’, also für Sicherheit entscheiden“, sagte Kersting am Donnerstag im Landtag. Die Umfrage sieht in mehreren großen NRW-Städten die amtierenden Rathauschefs im Vorteil. Viele von ihnen könnten schon im ersten Wahlgang bestätigt werden.

71 Prozent der Ratsmitglieder sehen den Wahlkampf „massiv beeinträchtigt“

Kersting und sein Team hatten die Einstellungen von 1500 Ratsmitgliedern aus 165 repräsentativen Gemeinden – große, mittlere und kleine Städte – analysiert. 71 Prozent der befragten Ratsmitglieder sind demnach der Auffassung, dass der Wahlkampf durch die Coronakrise „massiv beeinträchtigt“ werde. Besonders Vertreter kleinerer Parteien hätten sich für eine Verschiebung der Kommunalwahl stark gemacht.

Die Wahl unter Corona-Bedingungen werde wohl das Wahlverhalten beeinflussen und womöglich „prägenden Charakter“ auch für die kommende Bundestagswahl haben. Bisher seinen Wahlkämpfe hierzulande viel weniger „digital“, als zum Beispiel in den USA oder Frankreich, so die Wissenschaftler aus Münster. Politische Werbung über soziale Netzwerke angesichts der Krise könne nun aber Fahrt aufnehmen.

Grün liegt voll im Trend, sogar in anderen Parteien

Ein weiteres Ergebnis der Infratest dimap-Umfrage, nämlich die guten Chancen der Grünen in vielen Kommunen – wird von der „Analyse der Einstellungen der Ratsmitglieder in NRW“ gedeckt. Parteien übergreifend werden klassische grüne Themen inzwischen als besonders wichtig eingeschätzt. So seien 87 Prozent der befragten Kommunalpolitiker dafür, den Bus und Bahnverkehr auszubauen. 61 Prozent sind für mehr Tempo-30-Zonen in Innenstädten.

Ein „grünes Umdenken“ sei auch in bürgerlichen Parteien wie CDU und FDP zu beobachten. Die Grünen bedienten diese Themen aber besonders engagiert. Außerdem komme ihnen entgegen, dass bei Kommunalwahlen schon 16-Jährige wählen dürfen.

Einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren Kommunalparlamente heutzutage übrigens kaum. „Der typische Ratspolitiker ist männlich, hat studiert und ist Angestellter“, erklärte Kersting. Jeder vierte Kommunalpolitiker ist schon im Rentenalter, Jüngere seien hingegen „unterrepräsentiert“. Auch Selbstständige ließen sich kaum noch auf die Kommunalpolitik ein.

Uni bietet „Kommunalwahlcheck“ an

Erstmals bietet die Westfälische-Wilhelms-Universität Münster zur Kommunalwahl online eine Orientierungshilfe für Wähler in Münster, Essen, Bielefeld, Köln und Siegen an. Die Parteien und Kandidaten hatten dort im Vorfeld die Möglichkeit, sich im „Kommunalwahlcheck“ zu 30 Wahlkampfthemen zu positionieren.