Eine Krankenpflegerin erzählt, wie Corona Panik im Krankenhaus auslöste, wie die Politik Versprechungen machte – und was davon geblieben ist.
Nur wenige Menschen kommen Corona-Patienten so nah wie Pflegekräfte in den Kliniken. Lena A., 28, ist eine von ihnen. Sie arbeitet seit sechs Jahren in der Notaufnahme eines großen Krankenhauses im Ruhrgebiet. Sie hat mehrere Menschen mit Corona behandelt.
In den vergangenen Monaten stand A.’s Berufsgruppe im Zentrum der medialen und politischen Aufmerksamkeit. Politiker versprachen Boni für die „Corona-Heldinnen“, Bürger beklatschten sie. Was ist davon geblieben? A. berichtet von ihrem beruflichen Alltag – um dies offener tun zu können, trägt sie in diesem Text nicht ihren richtigen Namen.
„Corona hat meinen Beruf als Krankenschwester völlig auf den Kopf gestellt. Als im März die Pandemie nach Deutschland kam, bin ich gerade aus dem Urlaub gekommen und plötzlich galten komplett neue Regeln in der Notaufnahme. Auf unserer Station herrschte Panik. Wir mussten unser Desinfektionsmittel verschließen, weil es von den Toiletten geklaut wurde. Die Patienten fragten ständig, ob sie sich mit Corona infiziert hätten, ob man die Krankheit behandeln könne. Sie kannten die Bilder der Leichenberge aus dem Fernsehen.
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Als Krankenschwester musste ich den Leuten die Angst nehmen. Ich versuchte sie zu trösten, dass es schon nicht so schlimm werde. Dabei hatte ich selbst keine Ahnung, was auf uns zu kommt. Täglich spazierten kerngesunde Menschen in die Notaufnahme und forderten von mir, dass ich sie auf Corona teste. Wenn ich ihnen erklärte, dass wir die Abstriche nicht verschwenden dürften, wurden sie sauer und haben mir unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Andere riefen auf dem Diensttelefon an, erzählten ihre halbe Lebensgeschichte und wollten wissen, ob sie an Covid-19 erkrankt sind.
In der Hochphase der Krise lagen in unserem Gemeinschaftsraum fast jeden Tag neue Hygiene-Maßnahmen vom Krankenhaus auf dem Tisch. Die Neuartigkeit des Virus hat mich verunsichert, aber ich habe mich bemüht, mir nichts anmerken zu lassen.
Nach anderthalb Stunden im Isolationszimmer bin ich vom Schweiß klatschnass
Ich schaue im Krankenhaus vor Dienstbeginn jetzt immer erstmal in den Computer. Ich will wissen, wer von meinen Patienten an Covid-19 erkrankt ist. In Gedanken gehe ich dann alle Schritte durch und frage mich, ob ich bei der Behandlung des Corona-Patienten alle Hygiene-Vorschriften eingehalten habe. Ich überlege dann, wie alt und fit er ist und ob er es schaffen kann.
Menschen mit Corona und Verdachtsfälle behandeln wir in Isolationszimmern. Zu Beginn der Pandemie war ein Isolationszimmer durchgehend belegt, heute haben wir nur noch einen Fall am Tag. Im Isolationszimmer tragen wir orangene oder gelbe Schutzanzüge, eine Haube, Schutzbrille, Einweghandschuhe und eine FFP2-Maske. Nach anderthalb Stunden bin ich vom Schweiß klatschnass. Mein Krankenhaus war auf Corona gut vorbereitet. Bei uns mangelte es nie an Schutzkleidung oder Desinfektionsmittel. Ich habe mich nicht infiziert und wir sind auf der Station nie an die Behandlungsgrenze gekommen.
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Ich habe mich gefreut, als ich in den sozialen Medien gesehen habe, dass Menschen abends von ihren Balkonen Beifall klatschten. Das Lob und die Anerkennungen taten gut, sonst vergisst man uns gerne. Die Forderungen der Politiker, die Pflegekräfte zu unterstützen, haben mir Zuversicht gegeben. Trotzdem wundert es mich nicht, dass sich wieder nichts für uns geändert hat.
Versprechungen haben sich in Luft aufgelöst
Wir arbeiten zwölf Tage am Stück, ohne einen freien Tag. Die Frühschicht beginnt um 6 Uhr morgens, die Spätschicht ist von 13.15 bis 21.15 Uhr und nachts arbeiten wir von 21 bis 6.30 Uhr. Mein Partner macht das zum Glück mit. Und ich kenne das von zu Hause. Meine Mutter ist auch Pflegekraft in einem Krankenhaus. Ich wurde da rein geboren. Als Kind habe ich meiner Mutter geholfen, Opa zu pflegen.
Der Beruf macht mich glücklich. Auch wenn es vielleicht pathetisch klingt: Mir gefällt es, Menschen zu helfen, etwas Sinnvolles zu tun. Wir retten hier Leben. Und ich bin einfach kein Büromensch.
Dass die Forderungen nach mehr Gehalt und mehr Personal aus der Hochphase von Corona nun verpufft sind, war klar. Nichts ändert sich für uns. Das geht schon seit Jahren so: Ein Skandal entfacht eine Riesendebatte, die nach wenigen Wochen so schnell und geräuschlos verschwindet, wie sie gekommen ist. Viel Hype um nichts, sag’ ich mal. Das Gehalt bleibt gering, das Personal bleibt niedrig, der Ruf bleibt schlecht.
Die Gesellschaft hat ein falsches Bild von unserem Beruf
Ich finde es ziemlich unfair, dass nur die Altenpfleger den Corona-Bonus von bis zu 1500 Euro bekommen. Hinter uns allen in der Pflege liegen harte Monate, Wochen, Tage und Stunden. Für uns war das genauso ein Knochen-Job. Dass wir von der Zahlung ausgeschlossen werden, verschlechtert unser Bild in der Gesellschaft. Viele werden jetzt denken, ach, die haben es halt nicht verdient. Das ist nicht gerecht.
In Zukunft brauchen wir mehr Personal. Nur so können wir Patienten angemessen behandeln. Corona hat gezeigt, wie wichtig es ist, Zeit für Gespräche zu haben. Wenn jemand Todesangst hat, braucht er jemanden an seiner Seite.
Wir können unsere Lage nur verbessern, wenn wir Leuten besser erklären, was unseren Beruf eigentlich auszeichnet. Viele wissen scheinbar nicht, was wir als Pflegekräfte machen. Sie denken, dass wir Menschen Essen bringen, ihnen auf dem Klo helfen und sie duschen. Was dabei untergeht: Wir sind die rechte Hand der Ärzte, verabreichen Medikamente, beobachten den Krankheitsverlauf, übernehmen die Erstversorgung. Wir haben eine große Verantwortung. Aber die Gesellschaft respektiert das nicht.“