Münster. Nicht verhältnismäßig. Das Oberverwaltungsgericht in Münster setzt den Lockdown im Kreis Gütersloh außer Kraft. Wohl kurz vor dem regulären Ende.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat am Montag den Lockdown für den Kreis Gütersloh vorläufig außer Kraft gesetzt, der noch bis einschließlich 7. Juli gelten sollte. Das Urteil ist unanfechtbar.
Gegen die Verlängerung des Lockdowns um eine Woche hatte eine Firma aus Oelde geklagt, die im Kreis Gütersloh unter anderem in Schloß Holte Stukenbrock und in Versmold Spielhallen betreibt, so das Gericht.
Laut dem OVG ist ein Lockdown für den ganzen Kreis Gütersloh derzeit unverhältnismäßig. Der Lockdown sei in den ersten Tagen wegen des großen Coronaausbruchs in der Region noch nicht zu beanstanden gewesen.
Mancherorts im Kreis nur wenige Neuinfizierungen
"Zum maßgeblichen Zeitpunkt der jetzigen gerichtlichen Entscheidung sei es aber möglich und erforderlich gewesen, eine differenziertere Regelung zu erlassen", stellte das Gericht fest. Das heißt im Klartext, dass es nicht in Ordnung ist, einen ganzen Kreis mit Maßnahmen zu konfrontieren, wenn große Teile des Kreises nicht betroffen sind.
Insbesondere in den im Norden und Osten des Kreises gelegenen Städten seien nur wenige Neuinfizierungen festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sei nicht (mehr) ersichtlich, dass sich die dortige Gefährdungslage signifikant von derjenigen in anderen außerhalb des Kreisgebietes gelegenen Städten und Gemeinden vergleichbarer Größenordnung unterscheide.
Grenzwert wurde fast erreicht
Die 7-Tages-Inzidenz in Gütersloh war in den vergangenen Tagen deutlich gesunken und lag am Montag fast bei dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Damit wäre der Lockdown vermutlich in der Nacht zu Mittwoch ohnehin ausgelaufen.
Das Gerichtsurteil dürfte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als Bestätigung auffassen. Er hatte zuletzt wiederholt erklärt, dass die Abriegelung ganzer Landkreise bei Coronaausbrüchen hinterfragt werden müsse. Die Behörden sollten besser genau dort handeln, wo es auch tatsächlich ein Infektionsgeschehen gibt. Diese Haltung hatte Laschet am Montag auch in der CDU-Bundesspitze erklärt.
Die NRW-Landesregierung will für den Kreis Gütersloh keine gesonderten neuen Maßnahmen verfügen - auch nicht für einzelne Gemeinden. Das machte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Montagabend in Düsseldorf deutlich. Es sei nicht zu einem Übertritt der Infektionen auf die übrige Bevölkerung des Kreises Gütersloh gekommen. Vor diesem Hintergrund erwartet die NRW-Landesregierung nach eigenen Angaben, „dass nunmehr auch alle Beherbergungsverbote in Urlaubsorten aufgehoben werden“.
Eröffnung des Tönnies-Schlachthofs noch nicht in Sicht
Unterdessen rechnet der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) nicht mit einem kurzfristigen Hochfahren der Produktion im Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. "Das Konzept, das die Firma vorgelegt hat, beantwortet bei Weitem nicht alle Fragen, die geklärt werden müssen. Also bis der Betrieb wieder anläuft, kann es noch dauern!", sagte der CDU-Politiker am Montag unmittelbar vor einem Treffen von Vertretern der Behörden und des Unternehmens im Kreishaus.
Die Stadt Rheda-Wiedenbrück hatte die Schließungsverfügung der gesamten Schlacht- und Fleischfabrik bis zum 17. Juli verlängert. Mit einem Ergebnis wird in Verhandlungskreisen erst in den nächsten Tagen gerechnet.
Tierärzte warnen vor überfüllten Ställen
Tierärzte warnen angesichts geschlossener Schlachthöfe und verringerter Schlachtkapazitäten vor überfüllten Ställen und längeren Tiertransporten. Durch den Wegfall von mehreren Zehntausend Schlachtungen pro Tag ergäben sich "große Tierschutzprobleme", teilte die Bundestierärztekammer am Montag mit. Enger besetzte und überfüllte Ställe könnten besonders bei sommerlichen Temperaturen zu Kreislaufbelastungen für Tiere führen. (mit dpa)