Düsseldorf. Mit einer Taskforce sollen Kinderschänder ab 1. Juli so professionell verfolgt werden wie Cyberterrroristen. Justizminister: “Mir ist speiübel.“

Mit einer eigenen Taskforce will das NRW-Justizministerium ab 1. Juli mögliche Kinderschänder im Netz ebenso verfolgen wie Cyberterroristen oder Hacker. Zwei eigens dafür abgestellte Staatsanwälte kooperieren dafür mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC). Lügde, Bergisch Gladbach und zuletzt Münster seien Synonyme für furchtbare Verbrechen, deren Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden müssten, so NRW-Justizminister Peter Biesenbach.

Bislang habe man sich lediglich auf die Verfolgung von Einzeltätern fokussiert. Das solle sich nun ändern. "Wir haben uns die Frage gestellt, ob es da nicht einen viel größeren Sumpf gibt", sagte Biesenbach. Allein der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach bestätige die These auf unfassbare Weise: So hätten die Ermittlungen allein in diesem Fall zu Spuren von 30.000 noch unbekannten Verdächtigen in Deutschland und im Ausland geführt.

Diese verbergen sich hinter Nicknames sowohl im Darknet als auch im frei verfügbaren Internet und in Chats, um dort Kinderpornografie zu tauschen oder sich schlimmer noch mit eigenen Taten zu brüsten. Anlass genug für das NRW-Justizministerium, den kriminellen Sumpf nun mit allen verfügbaren Mitteln trocken zu legen.

"Da werden Tipps gegeben, welche Beruhigungsmittel besonders geeignet sind"

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"Mir ist speiübel", brachte Biesenbach auf den Punkt, dass es die Ermittler mit einer völlig neue Dimension der Strafverfolgung zu tun hätten. Der Leiter der ZAC, Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, machte deutlich, dass das Phänomen der Kinderpornografie im Internet in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsen sei. Jedes Bild, jeder Videoschnipsel führe zu weiteren Verdächtigen.

Die Hemmschwellen der Täter, die sich offen oder versteckt im Internet austauschen, würden immer weiter sinken. „Die Kommunizierenden empfinden Kindesmissbrauch als normal“ , sagte Markus Hartmann am Montag im Landtag. Besorgniserregend sei auch, dass sich die Täter untereinander bestärkten. "Da werden zum Beispiel Tipps gegeben, welche Beruhigungsmittel besonders geeignet sind, um die jungen Opfer gefügig zu machen." Verdächtige, die den realen Missbrauch noch scheuten, würden von der Community "zu den furchtbaren Taten ermuntert", so Hartmann weiter.

Sechs Spezialisten sollen digitale Täterspuren suchen

Sechs Spezialisten werden sich in der neu gegründeten Task-Force auf die Suche nach digitalen Täterspuren begeben und, so der Justizminister, jedem Hinweis nachgehen, „mit allem, was rechtlich möglich“ sei. „ich bin zuversichtlich, dass wie viele Täter finden“ , sagte Biesenbach. Dennoch sei unter den aktuellen rechtlichen Möglichkeiten kaum mehr als die Spitze des Eisbergs sichtbar. Die Landesregierung regt an, die Möglichkeiten, digitale Spuren der Täter zu erkennen und zu speichern, ausweiten.

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„Ich bin offen für innovative Lösungen“, erklärte Biesenbach. Das Wort „ Vorratsdatenspeicherung“ nimmt er nicht so gern in den Mund, aber im Prinzip geht es den Ermittlern darum. Am Ende müsse sich die Gesellschaft entscheiden zwischen Datenschutzregeln, die Kindesmissbrauch ermöglichten oder einer ernsthaften Verfolgung der Täter.

"Es müsste möglich sein, Beweismittel innerhalb weniger Stunden zu sichern"

Justizminister Peter Biesenbach (CDU):
Justizminister Peter Biesenbach (CDU): "Mir ist speiübel." © dpa

Die Zentralstelle ZAC NRW beschäftigt sich bisher mit Cyber-Kriminalität von „herausgehobener Bedeutung“, zum Beispiel große Hackerangriffe, Drogen- und Waffenhandel im Darknet und Cyber-Terrorismus. Ab sofort gehört das Thema Ermittlung gegen Kindesmissbrauch für zunächst 18 Monate mit zum Arbeitsauftrag der Experten.

Der Handlungsbedarf sei riesig, erklärte Oberstaatsanwalt Markus Hartmann. Leider hake es bei der internationalen Rechtshilfe. Die Verfahren seien oftmals sehr förmlich, die Fristen viel zu lang. Im Grunde müsse es möglich sein, Beweismittel innerhalb weniger Stunden zu sichern, so Hartmann. Die komplizierte Bürokratie mache dies häufig unmöglich.

Am Freitag bringt NRW einen Antrag im Bundesrat ein, wonach Missbrauchstäter künftig härter bestraft werden sollen. (mit JeS)