Düsseldorf. Alles wieder (fast) normal trotz Corona? Die Landesregierung plant ein reguläres Schuljahr mit festen Klassen und Stundenplan. Ob das klappt?
Mit zusätzlichen Lehrkräften, Schutzausrüstung für die Schulen und festen Lerngruppen möchte die Landesregierung die Rückkehr der rund 5500 Schulen in einen „Regelbetrieb“ nach den Sommerferien ermöglichen. „Wir handeln nach dem Grundsatz: Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung“, sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bei der Vorstellung eines „Maßnahmenpaketes“ für die kommenden Wochen.
Für den Fall, dass wegen des Corona-Infektionsgeschehens an einzelnen Schulen oder in Regionen vorübergehend kein Unterricht in den Klassen möglich sein sollte, ist „Unterricht auf Distanz“ geplant. Das Konzept für diesen digitalen Unterricht blieb Ministerin Gebauer aber am Dienstag schuldig. Sie werde sich dazu noch in dieser Woche konkret äußern, sagte sie. Laut der Schulmail, die am Dienstag vom Ministerium verschickt wurde, sollen die Lehrer mit einem Leitfaden und Fortbildungen besser auf den digitalen Unterricht vorbereitet werden. Die Lernplattform „Logineo“ wird offenbar deutlich ausgebaut.
Gebauer wirbt für das neue Ferienprogramm
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Klar ist, dass das bisherige Abstandsgebot nach den Ferien nicht nur in den Grundschulen, sondern auch in den weiterführenden Schulen durch ein System mit „festen Lerngruppen“ ersetzt wird. Schon ab der kommenden Woche könnten laut Gebauer jene Kinder, die in den vergangenen Krisen-Monaten besonders viele Nachteile beim Lernen hatten, von einem Ferienprogramm profitieren, für das die Landesregierung 75 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
„Faire Bedingungen“ verspricht die Regierung den künftigen Abiturienten und anderen Schülern, die im kommenden Schuljahr Abschlussprüfungen haben. Die Abiturprüfungen werden um neun Unterrichtstage nach den Osterferien 2021 verschoben und beginnen am 23. April. Damit bekämen diese Schüler mehr Vorbereitungszeit, so Gebauer. Das gelte auch für die Abschlussprüfungen der 10. Klassen.
Gewerkschaft VBE: „Schule mit Corona lässt Regelbetrieb nicht zu“
Opposition und Lehrerverbände bezweifeln, dass halbwegs normaler Unterricht in NRW nach den Ferien möglich sein wird. „Schule mit Corona lässt einen Regelbetrieb nicht zu“, sagte Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Insbesondere müssten Corona-Tests in Schulen deutlich ausgeweitet werden. SPD-Schulexperte Jochen Ott findet das Maßnahmenpaket der Landesregierung „enttäuschend“. Die Schulleitungen müssten nach den Ferien „erneut unausgereifte und unpräzise Vorgaben aus Düsseldorf mit großer Improvisationskunst in die Praxis umsetzen“.
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Das ausklingende Schuljahr hat Kindern, Familien und Lehrern Härten abverlangt. Nach den Ferien soll Schule wieder „so normal wie möglich“ sein, so NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Das heißt: Präsenzunterricht nach Stundenplan im Klassen- oder Kursverband. Die Landesregierung hat in einer „Schulmail“ erklärt, wie sie sich das vorstellt.
Wie blickt die Regierung auf das endende Schuljahr?
„Wir sind insgesamt gut durch diese Zeit gekommen“, meint die Schulministerin. Insgesamt habe es rund 800.000 Prüfungen an Schulen in NRW gegeben, etwa 90.000 Abiturienten seien erfolgreich zur Hochschulreife geführt worden. Unter den Abiturienten seien nur fünf Corona-Verdachtsfälle gezählt worden, von denen sich drei bestätigt hätten.
Lehrergewerkschaften sowie Schulleitungs- und Elternverbände beurteilen die Lage anders. Sie klagten zuletzt über ein „Kommunikationschaos“ durch die Regierung, über chaotische Zustände in vielen Schulen und oberflächliche Vorgaben durch das Land.
Wie geht es mit dem Infektionsschutz weiter?
Die strengen Abstandsregeln sollen auch an weiterführenden Schulen entfallen. Stattdessen gibt es feste Lern- oder Kursgruppen. Die Schulen müssen dokumentieren, welcher Schüler wann in welcher Gruppe gewesen ist. Eine Maskenpflicht im Unterricht ist nicht geplant. Vorstellbar ist aber ein „Maskengebot“ auf Schulhöfen und in Fluren. Das Land stellt den Schulträgern 2,3 Millionen Euro für den Kauf von Mund-Nasen-Masken zur Verfügung. Für die Schutzausrüstung von Lehrern an Förderschulen stehen 700.000 Euro bereit.
Wird der „digitale Unterricht“ besser?
Die Regierung will das erst im Laufe der Woche genauer erklären. Laut der jüngsten Schulmail erhalten die Schulen neue Möglichkeiten für „digitalen Distanzunterricht“, wenn das Infektionsgeschehen an einer Schule den Präsenzunterricht unmöglich machen sollte. Lehrer bekommen einen „Leitfaden“ dazu. Die Lernplattform „Logineo“ wird ausgebaut und nicht nur Lehrern, sondern auch Schülern zur Verfügung stehen. Dazu gehören auch ein Messenger-Dienst und ein Videokonferenz-Angebot. Offen ist, ob alle Schüler die Chance bekommen, einen Tablet-PC zu nutzen.
Wie will NRW zurück zum „Regelbetrieb“?
Ein wichtiger Baustein ist mehr Personal. Etwa 20 Prozent der Lehrer fallen wegen Corona-Risiken für den Präsenzunterricht aus oder sind krankgeschrieben. NRW möchte daher zusätzliches Personal gewinnen oder Lehramtsanwärtern erlauben, mehr selbstständigen Unterricht zu erteilen. Neue Lehrerstellen, die für einen kommenden zusätzlichen Jahrgang an den Gymnasien ohnehin geschaffen werden müssen, könnten schon zum kommenden Schuljahr besetzt werden. Die Rede ist von zunächst bis zu 1450 Gymnasial-Stellen. Diese Lehrer sollen zunächst nicht an Gymnasien, sondern vorübergehend in anderen Schulen arbeiten.
Was gilt für die Prüfungen?
Die Abi-Prüfungen beginnen neun Unterrichtstage später als geplant am 23. April 2021. Das Zentralabitur mit bundesweiten Terminen für Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik bleibt unangetastet. Es wird aber ergänzt durch Prüfungsaufgaben, die sich auf den Unterricht in einzelnen Schulen beziehen. Die zentralen Prüfungen für den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und für die Fachoberschulreife werden auch verschoben, um mehr Unterrichtszeit zu gewinnen.
Was geschieht in den Ferien?
Ministerin Gebauer fordert Schulträger und Träger der Ganztagsbetreuung dazu auf, sich für die Förderung des neuen Ferienprogramms zu bewerben. Insgesamt könnten damit rund 400.000 Kinder aus den Klassen 1 bis 8 erreicht werden. Die Ministerin schwärmte von einem „noch nie dagewesenen Ferienprogramm“. 15 bis 20 Schüler könnten täglich sechs Stunden lang an 15 Werktagen betreut und geschult werden. Viele Organisationen, die dafür in Frage kommen, beschweren sich aber, das Programm komme viel zu spät.
Wie beurteilen Fachverbände die Pläne?
Das Urteil fällt gemischt aus. Die meisten begrüßen die Absicht, zum Regelbetrieb zurückzukehren. Das Konzept sei aber „kein großer Wurf“, weil es unkonkret sei, kritisiert Maike Finnern, Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW. Der Philologen-Verband dringt auf „angemessene Schutzmaßnahmen“ für Lehrer und Schüler. Der Verband VBE fordert mehr Corona-Tests in Schulen. Die Ministerin bleibe „einen Plan B“ schuldig für den Fall, dass die Pandemielage Regelunterricht nicht zulasse, monierte Sigrid Beer, Schulexpertin der Grünen im Landtag.