Essen. Die Branche sieht sich bislang gut durch die Krise gekommen, sorgt sich aber um die Zukunft. Beim Infektionsschutz seien Lockerungen denkbar
Pflegedienste und stationäre Pflegeinrichtungen im Ruhrgebiet sind bislang relativ glimpflich durch die Corona-Krise gekommen und haben die Herausforderungen und Belastungen der Pandemie weitgehend gut gemanagt. Das ergab eine Umfrage unter 80 Einrichtungen mit insgesamt 20.000 Mitarbeitern der Region, die das Institut Arbeit und Technik Gelsenkirchen im Auftrag der Ruhrgebietskonferenz Pflege durchgeführt hat. Besonders hervorgehoben wurde das Engagement der Pflegekräfte. Der Krankenstand in den Einrichtungen liegt deutlich unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit.
Krise hat das ganze Land verändert
Die Ergebnisse der Umfrage, die dieser Redaktion vorab vorliegen, will die Ruhrgebietskonferenz Pflege am heutigen Dienstag in einer Online-Konferenz vorstellen. Mit der Konferenz will das Bündnis von rund 40 Pflegeanbietern im Revier auf die besondere Lage der Pflegebranche aufmerksam machen. „Die Coronakrise hat das ganze Land grundlegend verändert und zu einer Neubewertung vieler Branchen sowie ihrer Beschäftigten geführt“, sagte Konferenz-Koordinator Roland Weigel. Es sei immer wieder die Rede von systemrelevanten Berufen, die mehr wertgeschätzt und aufgewertet werden müssen, so Weigel. Die Pflege werde dabei fast immer an erster Stelle genannt.
"Wir fürchten, dass der Effekt verpufft"
Doch inzwischen wächst in der Branche die Sorge, dass den Worten keine Taten folgen könnten. Im Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung sei die Altenpflege mit keinem Wort erwähnt. Mit der Einmal-Zahlung von bis zu 1500 Euro für Pflegekräfte sei es nicht getan. „Wir fürchten, dass der Effekt verpufft und die als Helden des Alltags gefeierten Pflegemitarbeiter schnell vergessen werden“, sagte der Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege, Ulrich Christofczik dieser Redaktion.
Durch die hohe Schuldenaufnahmen schwindet absehbar zudem der finanzielle Handlungsspielraum der öffentlichen Hand. Ulrich Christofczik: „Vor der Corona-Krise war längst Konsens, dass in Deutschland 100.000 Pflegekräfte fehlen. Es wäre fatal, wenn nun nach allen Corona-Hilfspaketen am Ende das Geld nicht mehr da ist, diese Stellen auch einzurichten.“
Infektionsschutz: Einrichtungen stehen vor "Riesenprobem"
Christofczik ging auch auf die zunehmende Kritik von Angehörigen an den strengen Corona-Schutzmaßnahmen in Altenheimen ein. „Die Einrichtungen stehen hier vor einem Riesenproblem“, sagte das Vorstandsmitglied des Chhristopheruswerks Duisburg. Fürsorgepflicht, Selbstbestimmungsrecht des Menschen und Infektionsschutzvorgaben müssten ständig gegeneinander abgewogen werden. „Wir wünschen uns hier klare Leitlinien der Politik. Meiner Einschätzung nach könnten die Bestimmungen des Infektionsschutzes gelockert werden“, so Christofczik.