Düsseldorf. Corona bei Tönnies und die Folgen: Eltern demonstrieren, die Bundeswehr soll helfen, und unbedachte Äußerungen über Rumänen sorgen für Ärger.
Nach dem Corona-Ausbruch mit Hunderten Infizierten bei der Firma Tönnies machen sich in der Bevölkerung des Kreises Gütersloh und in benachbarten Regionen Wut und Empörung breit. Vor dem Firmensitz in Rheda-Wiedenbrück demonstrierten am Donnerstag Eltern und Kinder gegen die Schließung von Schulen und Kitas. In Bielefeld wurden Kinder von Tönnies-Mitarbeitern aus der Schule wieder nach Hause geschickt. Für zusätzlichen Ärger sorgten Mutmaßungen des Unternehmens und von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), rumänische und bulgarische Arbeiter hätten das Virus nach Ostwestfalen eingeschleppt.
Kreis Gütersloh bittet die Bundeswehr um Hilfe
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Um alle rund 7000 Tönnies-Mitarbeiter, die derzeit in Quarantäne sind, auf das Coronavirus testen zu können, hat der Kreis Gütersloh sogar die Bundeswehr um Hilfe gebeten, weil Rettungsdienste dies allein nicht leisten können. Täglich werden jetzt bis zu 2000 Abstriche genommen. Die Betreuung der Mitarbeiter stellt die Behörden vor ungeheure Herausforderungen. Laut NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) versorgt Tönnies die Personen, die sich in Quarantäne befinden, mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs. Ämter im Kreis Gütersloh kontrollieren stichprobenartig die Quarantäne und versuchen mühsam, die Kontakte der Hunderte von Infizierten nachzuverfolgen.
Der Bauernverband warnte am Donnerstag vor einem möglichen „Rückstau“ bei der Fleischproduktion und Tierschutzproblemen, wenn der Tönnies-Konzern lange geschlossen bleiben sollte. Die Landesregierung forderte den Bund auf, das geplante Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie schleunigst umzusetzen. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty sagte, Arbeitsminister Laumann solle „die schlimmen Zustände bei Tönnies selbst beenden und nicht auf Hilfe aus Berlin warten“. Bei der Durchsetzung des Arbeitsschutzes habe NRW eigene Möglichkeiten. Kutschaty rief nach „strengen Kontrollen und engmaschigen Tests“ in dem Unternehmen. Außerdem müssten „die schlechten Wohnverhältnisse der Werkvertragsarbeiter beendet werden, notfalls durch die Unterbringung in Hotels.“
Präses Kurschus kritisiert „unzulässige Spekulationen“ über Arbeiter aus Südosteuropa
Vermutungen des Unternehmens Tönnies, das Virus sei von Arbeitern aus Südosteuropa nach Rheda-Wiedenbrück getragen worden, lösten Entrüstung aus. Zumal auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sich diese Vermutung zunächst spontan zu eigen machte. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, zeigte sich empört angesichts der „einseitigen und voreiligen Schuldzuweisungen“. Sie sprach von einer „unzulässigen Spekulation“, die ausländische Arbeitskräfte verunglimpfe. Die SPD forderte eine Entschuldigung von Laschet. Der Ministerpräsident nahm später seine Einschätzung wieder zurück. „Menschen gleich welcher Herkunft irgendeine Schuld am Virus zu geben, verbietet sich“, teilte er mit.
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NRW-Arbeitsminister Laumann zufolge gibt es derzeit zwar „eine Reihe von Vermutungen, wie der Ausbruch bei Tönnies passieren konnte“, aber keine belastbaren Ergebnisse. Er sagte dieser Redaktion, sein Ministerium werde die Fälle wissenschaftlich überprüfen lassen, um „den Ursachen für den Ausbruch in Gütersloh epidemiologisch auf den Grund zu gehen“.
„Menschenunwürdige Verhältnisse“
2019 hatten die NRW-Behörden die Arbeitsbedingungen in großen Schlachthöfen überprüft und erhebliche Mängel entdeckt. Laut dem Abschlussbericht werden Werkvertragsarbeiter aus Südosteuropa systematisch benachteiligt. Indem ihnen mit fadenscheinigen Begründung Lohn abgezogen wird, indem sie schlechte Schutzkleidung bekommen oder in miserablen Behausungen wohnen müssen. Laumann nannte dies „menschenunwürdig“. (mit dpa)