Düsseldorf. Einzelne Corona-Fälle an Schulen: Der Streit um die Rückkehr zum Unterricht verschärft sich. Rückenwind für die Ministerin aus Berlin.
Trotz mehrerer Coronafälle an Grundschulen hält NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) an der Öffnung dieser Schulen kurz vor den Ferien fest. „Wir gehen den Weg der verantwortbaren Schritte“, sagte sie im Schulauschuss des Landtags. Die Kinder hätten ein „Recht auf Bildung“. Ein Teil der Lehrerschaft reagierte mit Protest.
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Der Schulstart wird von Corona-Diagnosen überschattet. Im Regierungsbezirk Arnsberg gab es in den vergangenen Tagen in sechs Grundschulen aktuelle Fälle: an drei Schulen in Bochum, außerdem in Dortmund, Werne und Kreuztal. Ein Sprecher der Bezirksregierung sprach von Einzelfällen, die nicht zu Schulschließungen führten.
Politischen Rückenwind erhielt die Ministerin auch aus Berlin: Nach den Sommerferien sollten möglichst alle Schüler sämtlicher Schulformen wieder in den Regelbetrieb zurückkehren, hatte Gebauer bekräftigt. Bund und Länder einigten sich am Mittwochabend ebenfalls darauf, dass dieser Kurs deutschlandweit eingeschlagen wird - bei einem positiven Verlauf der Infektionszahlen. Wie der volle Schulbetrieb dann organisiert werden soll, darüber werden an diesem Donnerstag die Kultusminister der Länder in einer Schaltkonferenz beraten. „Alle sind sich einig, wir brauchen wieder einen regulären Schulbetrieb“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)vor dem Treffen der Länderchefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Lehrer berichten von "Unruhe, Frust und Enttäuschung"
In Wuppertal wurde jetzt aber eine Grundschule geschlossen, weil ein Schüler positiv getestet worden war. Positive Tests gab es zudem an Grundschulen in Düsseldorf, Ahlen und im Kreis Steinfurt. Lerngruppen wurden in Quarantäne geschickt.
Der Streit zwischen der NRW-Landesregierung und Teilen der Lehrerschaft über die Öffnung der Grundschulen wird immer intensiver. Während die Ministerin ihren Kurs fortsetzt und betont, dass für die rund 600.000 Grundschüler jeder Tag Unterricht zähle, äußern manche Pädagogen und Schulleitungen Verzweiflung über die Anforderungen, die an sie gestellt werden.
Laut einer Mitgliederbefragung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) nimmt die Unzufriedenheit zu. VBE-Landeschef Stefan Behlau sprach von „Unruhe, Frust und Enttäuschung“ unter den Pädagogen aufgrund, wie es hieß, „chaotischer Verhältnisse“ bei der Organisation des Unterrichts. „Viele Kollegen sind verärgert, auch weil ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass ihre Arbeit für das Lernen auf Distanz, die Notbetreuung, das rollierende System, die Einhaltung der Hygienepläne und vieles, vieles mehr nicht mehr gesehen wird“, sagte Behlau.
Routine-Hinweis auf Neutralitätspflicht wird zum Ärgernis
SPD-Schulexperte Jochen Ott verwies darauf, dass erste Grundschulen, etwa in Wuppertal, wegen Corona-Fällen schon wieder hätten schließen oder Lerngruppen in Quarantäne schicken müssen.
Im aufgeheizten Schulstreit sorgt eine Weisung, die die Bezirksregierungen am 15. Juni den Schulleitungen schickten, zusätzlich für Verdruss. Sie ermahnen die Schulen im Auftrag der Landesregierung dazu, sich streng an die Neutralitätspflicht zu halten. Damit ist gemeint, dass Schulen nicht für eine politische Meinung werben dürfen. Einige Schulleitungen sehen dies kritisch, weil sie dadurch ihre Möglichkeit eingeschränkt sehen, die Entscheidungen des Schulministeriums in der Coronakrise zu kritisieren.
Ministerin: "Der Vorwurf ist unredlich"
Die Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer warf NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch im Schulausschuss sogar vor, den Schulen einen „Maulkorb“ verpassen zu wollen. Sie sollten nicht mehr über die aktuellen Mängel in der Schulverwaltung reden dürfen.
Die Ministerin reagierte zornig auf den Vorwurf. „Das ist so unredlich, wie es nur unredlich sein kann“, sagte sie. Vor Wahlen, in diesem Fall vor der Kommunalwahl, erinnerten Landesregierungen regelmäßig die Schulleitungen an die Neutralitätspflicht. Aus dieser Routine könne man keinen „Maulkorb“ in der Coronakrise herleiten. Das Ministerium habe die entsprechende Mail zur Neutralitätspflicht mit der Bitte zur Weiterleitung an die Schulen den Bezirksregierungen schon Anfang April geschickt.
Aus Sicht der Regierung spricht nichts gegen Abschlussfeiern
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Gebauer (FDP) fehlt auch jedes Verständnis dafür, dass zahlreiche Schulleitungen in NRW offenbar Abschlussfeiern für die Schüler absagen wollen. „Der Grund dafür erschließt sich mir nicht“, sagte sie. Die Landesregierung habe ausdrücklich klar gestellt, dass Entlassfeiern in und außerhalb der Schulen durchgeführt werden können, auch mit Eltern und anderen Gästen.
„Es handelt sich nicht um Abibälle, sondern um feierliche Zeugnisübergaben, die den Schülern in besonderer Erinnerung bleiben werden“, so Gebauer. Einzige Einschränkung: Die Veranstaltungen dürften keinen „geselligen Charakter“ haben und müssten bei mehr als 100 Teilnehmern unter besonderen Schutzbedingungen organisiert werden.