Essen/Berlin. Der Kommunalpakt von Olaf Scholz würde besonders dem Revier helfen. Die SPD appelliert an die Solidarität. Besonders ein Land stellt sich quer.
Die SPD wirbt zurzeit auf breiter Front für den kommunalen Rettungsschirm, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz am vergangenen Wochenende vorgelegt hatte. In Bund, Land und auf kommunaler Ebene trommeln die Sozialdemokraten vor allem für die von Scholz beabsichtigte Übernahme der kommunalen Altschulden durch Bund und Länder. Von der Schuldenregelung würden vor allem NRW und insbesondere das Ruhrgebiet profitieren. Beim Koalitionspartner Union und in manchen Bundesländern formiert sich dagegen Widerstand. Ein Überblick.
Was besagt der Scholz-Plan?
Der „Kommunale Solidarpakt 2020“ des Bundesfinanzministeriums setzt zwei Hebel zur finanziellen Entlastung der Kommunen in der Coronakrise an. Zwölf Milliarden Euro sollen fließen, um die in allen Städten in diesem Jahr wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen zu kompensieren. Mit deutlich mehr Geld, nämlich 45 Milliarden Euro soll zusätzlich denjenigen Städten geholfen werden, die ihre Altschuldenberge laut Experten nicht mehr aus eigener Kraft abbauen können. Der Bund und die betroffenen Länder sollen beide Summen jeweils zur Hälfte schultern.
Wo liegt das Problem?
Von der Altschuldenfrage sind in vier Bundesländern (NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen) „nur“ 2000 der bundesweit 11.000 Kommunen betroffen. An den meisten Bundesländern würde die Altschuldenhilfe also vorbeifließen. Weil Bundesmittel direkt an Kommunen gehen sollen, braucht Scholz aber eine Verfassungsänderung und damit die Zustimmung des Bundesrates. Hier könnten Länder, die von der Schuldenproblematik nicht betroffen sind, das Projekt ausbremsen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete das Scholz-Konzept bereits als „völlig absurd“. Kritik kam auch aus Baden-Württemberg.
Was macht die kommunalen Altschulden so gefährlich?
Die so genannten Kassenkredite funktionieren wie ein Kommunal-Dispo. Anders als Investitionskredite sie sind also nicht durch Investitionen abgesichert. Sie haben zudem meist kürzere Laufzeiten. Steigende Zinsen würden also schnell zum Problem.
Wie argumentiert die SPD?
Offenbar auch aus Sorge um ein mögliches Scheitern des Scholz-Plans appellieren führende Sozialdemokraten an die Solidarität der Länder und Kommunen. „In den überschuldeten Städten leben insgesamt zehn Millionen Menschen. Es ist eine Frage des sozialen Zusammenhalts in Deutschland, dass wir diese Kommunen entlasten“, sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans am Freitag in Berlin. Die betroffenen Kommunen hätten „Schulden, aber keine Schuld daran“. Michael Groß, Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen und Sprecher der Ruhrgebietsgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der WAZ: „Jetzt ist nicht die Zeit, politische Grabenkämpfe zu führen.“ Solidarität dürfe keine Worthülse bleiben.
Was bedeutet die Debatten für das Ruhrgebiet?
Für das Revier wäre eine Altschuldenregelung ein Befreiungsschlag. An der Ruhr türmen sich ein Drittel aller kommunalen Kassenkredite in Deutschland auf. Allein Essen hat so hohe Altschulden wie alle bayrischen Städte und Gemeinden zusammen. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) sprach am Freitag von einem „Zwangskorsett“, in dem die Ruhrgebietsstädte wegen ihrer Altschulden steckten. „Es darf nicht sein, dass jeder Euro, den wir einsparen, sofort wieder in die Schuldentilgung fließt“, sagte Link. Auch er appellierte an die Solidarität. Von den Duisburger Altschulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro seien 700 Millionen in den Aufbau Ost geflossen, so Link.
Wie könnte der Plan in NRW konkret aussehen?
Der SPD-Landtagsfraktionsvize Michael Hübner aus Gladbeck rät der Landesregierung dringend, den Scholz-Plan zu akzeptieren. „Nach ersten Schätzungen müsste das Land rund zehn Milliarden Euro kofinanzieren. Die Landesregierung sollte ihren bereits aufgespannten Corona-Rettungsschirm in Höhe von bisher 25 Milliarden um diese Summe vergrößern“, sagte Hübner der WAZ. Niemand zwinge zudem Bayern dazu, die NRW-Kommunen zu entlasten.