Düsseldorf/Dortmund. Ein Altschuldenfonds soll die Städte vor höheren Zinsen schützen. Bund und Land sollen mit ins Boot. Kredite wären nach 30 Jahren getilgt.

Die hoch verschuldeten Kommunen in NRW könnten auf einen Schlag vollständig von ihren riesigen Kreditbergen befreit werden, ohne dass finanziell besser gestellte Städte dadurch belastet würden. Das sieht ein Konzept der Grünen im NRW-Landtag vor, das die Debatte um die Altschulden-Problematik besonders im Ruhrgebiet weiter befeuern dürfte.

Das vom ehemaligen Bochumer Stadtkämmerer Manfred Busch erarbeitete Papier schlägt vor, die so genannten Kassenkredite der Kommunen – vergleichbar mit dem Dispo im Privatbereich – in einen Entschuldungsfonds zu übertragen. Dieser Fonds könne dann stellvertretend für die betroffenen Kommunen den Schuldendienst bis zur vollständigen Tilgung übernehmen. Voraussetzung wäre aus Sicht der Grünen die Beteiligung des Landes und des Bundes. Der Schuldenfonds könne auf den Finanzmärkten wie eine Bundesanleihe von der Bonität der Bundesrepublik profitieren.

Kommunen wären weiter Schuldner

Für die betroffenen Städte würde sich laut dem Konzept unmittelbar zunächst nichts ändern. Sie wären weiter Schuldner, auch der Schuldendienst bliebe gleich. Profitieren würden sie aber demnach von der langen Laufzeit eines solchen Altschuldenfonds. Die derzeit historisch niedrigen Zinsen würden über 30 Jahre festgeschrieben. Danach wären die Schulden laut den Berechnungen abgetragen.

Die Lösung der Altschulden-Frage steht unter erheblichem Zeitdruck. „Wir müssen schnell handeln, sonst verpassen wir das Ende der Niedrigzinsphase“, sagte Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh bei der Vorstellung des Konzepts in Dortmund. Die exorbitant hohen Kassenkredite hingen trotz der guten konjunkturellen Lage derzeit wie „Mühlsteine“ am Hals der Kommunen.

Nach Angaben der Grünen geht es in NRW um 24 Milliarden Euro an Kassenkrediten. Laut Kommunalfinanzbericht des Regionalverbandes Ruhr (RVR) stehen allein die Revierkommunen mit insgesamt knapp 15 Milliarden in der Kreide. NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) bezeichnete das Grünen-Papier der WAZ gegenüber „als grundsätzlich denkbare Handlungsalternative“. Eine Vergemeinschaftung von Schulden nach dem Beispiel der „Hessenkasse“ lehnte Scharrenbach ab.

Trotz deutlich verbesserter Einnahmen und Erfolgen bei der Haushaltskonsolidierung kommen viele hoch verschuldetet Städte in NRW beim Abbau ihrer Liquiditätskredite nicht voran. Das bestätigen Finanzexperten seit Jahren. Betroffen ist besonders das Ruhrgebiet. Allein Essen hat seinen Kommunaldispo um rund zwei Milliarden Euro ausgeschöpft. In Dortmund sind es 1,5 Milliarden, in Oberhausen ist es ebenfalls so viel.

Ohne Hilfe von Bund und Land könne es kein Entrinnen aus der städtischen Schuldenfalle geben, betonte jüngst der Finanzexperte Martin Junkernheinrich mit Blick auf die Revierkommunen. „Der Abbau der Altschulden muss daher eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und Kommunen sein“, forderte er.

392 Millionen Tilgungsanteil des Landes

Kein Wunder also, dass Revierstädte gespannt auf das jetzt vorliegende Konzept der Landtags-Grünen blicken. Mit dem Fonds-Modell wären die Städte zwar nicht komplett aus der Verantwortung für ihre Schulden entlassen, sie hätten aber Zinssicherheit für 30 Jahre und eine Tilgung im selben Zeitraum garantiert. Das Land wäre nach diesem Modell mit einem jährlichen Tilgungsanteil von 392 Millionen Euro im Boot. Diese Summe könne fast ganz durch die Stärkungspakt-Finanzierung im Landeshaushalt abgedeckt werden, sagte der grünen Landtags-Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh in Dortmund.

Zustimmung gab es umgehend von Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann. „Wer klug ist, bereitet sich jetzt auf schlechtere Zeiten vor. Mit den derzeitigen Zinsbelastungen kommen wir klar, nicht aber mit steigenden Zinsen“, sagte Stüdemann. Derzeit liegt die jährliche Belastung aus den Dortmunder Kassenkrediten laut Stüdemann bei 20 Millionen Euro. Ein Zinsanstieg sei für die Stadt ohne drastische Sparmaßnahmen kaum zu verkraften.

SPD-Landeschef: Bund ist gefordert

NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sieht jetzt vor allem den Bund am Zug: Die Kommunen müssten von der Haftung für die ständig steigenden Soziallasten befreit werden, sagte Hartmann dieser Redaktion. Zugleich sei das Land gefordert. Es stehe in direkter Beziehung zu den Kommunen. Hartmann: „Die CDU-geführte Landesregierung macht hier einfach zu wenig und lässt die Kommunen im Stich, obwohl die finanziellen Spielräume da sind.“

Auch Hartmann bringt zur Entlastung der Städte einen beim Bund angesiedelten Entschuldungsfonds ins Spiel. „Warum haben wir eine Bad Bank für die Schulden der Banken, aber keine Bad Bank für die Schulden der Kommunen?“, sagte er. Zudem könne das Land NRW – wie Hessen mit der Hessenkasse – eine Solidargemeinschaft mit den verschuldeten Kommunen bilden, so Hartmann.