Düsseldorf. Klagen, Kontrollen und Impfausweise: Was Schulen, Kita und Eltern nun erwartet. Ein Überblick über die neue Impfpflicht bei Masern.

Die oft diskutierte Masernimpfpflicht ist vor gerade erst in Kraft getreten, da erreichte das Bundesverfassungsgericht auch schon die ersten Klagen einiger Eltern. Sie sehen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder und das Erziehungsrecht der Eltern verletzt. Und auch sonst sorgt die neue Pflicht für Unruhe bei Behörden und Institutionen. Schulen und Kitas stehen vor einer erheblichen Mehrarbeit, und einige Behörden äußern den Wunsch nach einem einheitlichen Leitfaden im Umgang mit der Pflicht für die Kommunen in NRW. Wer führt die Kontrollen durch? Was geschieht, wenn man der Pflicht nicht nachkommt? Hier gibt es eine Zusammenfassung einiger wichtigen Fragen:

Warum ist eine Impfung gegen Masern so wichtig?

Bei Masern handelt es sich um eine hochansteckende, fieberhafte Virus-Erkrankung, die sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen zu langwierigen Verläufen führen kann. „Mit der Einführung einer Masernimpfpflicht“ – so schreibt es das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Homepage – „soll der Impfschutz dort erhöht werden, wo eine Masernübertragung sehr schnell stattfinden kann, wenn nicht genügend Personen gegen Masern immun sind.“ Das Risiko, dass eine Masern-Infektion zu schwerwiegenden Komplikationen führt, ist laut Bundesministerium bei Kindern unter fünf Jahren und bei Erwachsenen über 20 Jahren besonders erhöht. Hierbei können andere Erkrankungen, wie beispielsweise Durchfall, Mittelohrentzündung und Lungenentzündung auftreten. Aber auch schwerwiegende Spätfolgen, wie die so genannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) – eine tödlich verlaufende Gehirnerkrankung – können Folge einer Maserninfektion sein.

Warum wurde die Pflicht zum 1. März eingeführt?

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 500 Maserninfektionen in Deutschland registriert. Ziel ist es also, die Zahl zu senken, beziehungsweise zu eliminieren, sodass kein Mensch mehr an Masern erkrankt. „Für die Altersgruppe 24 Monate liegt die Quote für die zweite Masernimpfung in NRW bei 79,2 Prozent – 95 Prozent der Bevölkerung müssen geimpft sein, um langfristig die Masern zu eliminieren“, sagt Walter Godenschweger, ein Pressesprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. Bereits am 2. Mai 2019 veröffentlichte das Robert-Koch-Institut einen Bericht über die Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung in Deutschland im Jahr 2017. Dort heißt es: Was die zweite Impfung betrifft, herrsche noch immer Verbesserungsbedarf. Denn: „Die Impfquoten sind insgesamt gestiegen, erreichen aber noch kein zufriedenstellendes Niveau. Die Impf-Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen lassen bestehende Impflücken erkennen“, heißt es in dem Bericht weiter.

Wer ist von der neuen Regelung betroffen?

Alle Kinder, die nach dem 1. März 2020 in Kitas und Schulen neu betreut werden. Alle anderen Kinder müssen bis zum 31. Juli 2021 einen Impfnachweis vorlegen. Aber auch Erwachsene sind von der Pflicht betroffen. Dazu gehören unter anderem Beschäftigte in bestimmten Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen, Kindertageseinrichtungen, Schulen und Arztpraxen. Diejenigen, die vor 1970 geboren wurden, betrifft die Impfpflicht jedoch nicht. Bei ihnen wird davon ausgegangen, dass sie bereits Masern hatten und dadurch immunisiert sind. Der Grund für diese Annahme: Erst nach 1970 gab es eine Masernimpfung.

Was passiert, wenn man sich nicht impfen lässt?

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Bei Kitakindern gilt: Keine Impfung – kein Kitaplatz, anderenfalls droht der Kita-Leitung ein Bußgeld. In der Schule sieht es anders aus: „Personen, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegen, sind von dieser Regelung ausgenommen. Das bedeutet: Nicht geimpfte Kinder unterliegen der Schulpflicht, unabhängig davon, ob nach der Zahlung eines Bußgeldes eine Impfung vorgenommen wurde oder nicht“, sagt Walter Godenschweger. Die Schulen müssen solche Fälle an das örtliche Gesundheitsamt melden, das über das weitere Vorgehen entscheidet. Denn in diesem Fall begehen die Eltern eine Ordnungswidrigkeit, für die sie im Extremfall ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro erhalten können.

Wer kontrolliert, ob wirklich alle Kinder geimpft sind?

„Das Gesetz sieht vor, dass die Kontrollen, ob die Impfpflicht eingehalten wurde, durch die jeweiligen Leitungen der Einrichtungen vor Ort durchgeführt werden“, so Godenschweger. Die Aufsicht obliegt also den Schulen und Kitas selbst. Das führt in vielen Kommunen zu Ratlosigkeit. Denn durch die Kontrollen stehen Schulen und Kitas vor einer großen Mehrarbeit. Stefanie Frank, Sprecherin der „komba“-Gewerkschaft in NRW, sieht die Überprüfung durch Schulen und Kitas ebenfalls kritisch: „Die Überprüfung und Kontrolle des Impfstatus kann und darf nicht in der Verantwortung der Beschäftigten in den Kindertagesstätten liegen. Dies würde den Aufbau eines notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen Kita-Personal und Eltern von Beginn an nachhaltig belasten.“ Aus diesem Grund werden die Eltern, die gegen die Impfpflicht klagen, nun auch vom Verein „Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung“ unterstützt.

Warum hält dieser Verein das neue Gesetz für verfassungswidrig?

Der Verein „Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung“ sieht in dem neuen Gesetz gleich vier Verletzungen der Grundrechte im Grundgesetz. Dazu gehören die Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit, des Elternrechts, der Gleichheitsrechte von Eltern und Kindern und der Berufsfreiheit der Ärzte. Zudem sehen die Vertreter des Vereins einige Nachteile für Familien – unter anderem den den Verlust des Anspruchs auf Kinderbetreuung ohne Immunität. Zudem heißt es auf der Internetseite des Vereins, dass der Gesetzentwurf effektive Alternativen zur Impfpflicht ignoriere. „Schon jetzt lassen über 97 Prozent der Eltern in Deutschland ihre Kinder freiwillig gegen Masernimpfen – auch ohne eine akute Bedrohungslage durch Masern. Für eine Steigerung dieser ohnehin hohen Impfquote empfehlen Fachleute und andere, weniger einschneidende Maßnahmen, beispielsweise eine Optimierung der Impfberatung“, heißt es dort.

Gibt es Risiken?

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„Masernimpfstoffe sind sicher und ausgesprochen nebenwirkungsarm“, schreibt das Bundesministerium auf seiner Internetseite. Schwere Nebenwirkungen seien sehr selten. Stattdessen bildet der Körper nach der Impfung Antikörper, die zunächst typische Reaktionen – einer leichten Rötung oder Schwellung an der Impfstelle – hervorrufen können. Zudem können in den ersten drei Tagen nach der Impfung auch Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Diese Reaktionen sollten jedoch nach kurzer Zeit wieder abklingen.