Düsseldorf. Die Zahl der Verkehrstoten in NRW erreicht einen “historischen“ Tiefstand. Sorgen bereitet der leichtsinnige Umgang mit Alkohol und Drogen.
Nie seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1953 gab es weniger Verkehrstote in NRW als im vergangenen Jahr. 458 Menschen kamen 2019 durch Unfälle ums Leben – 32 weniger als im Jahr davor. „Das ist eine historische Zahl und ein großer Erfolg“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung der jüngsten Verkehrsunfallstatistik. Reul schränkte aber ein, viele der schlimmen Unfälle seien „vollkommen unnötig“.
97 Menschen starben 2019 im Straßenverkehr in NRW, weil jemand zu schnell gefahren ist. 31 Verkehrstote hatten sich nicht angeschnallt, 39 hatten Alkohol oder andere Drogen konsumiert. In einem Fall verunglückte nachweislich ein Mensch, weil er das Handy beim Fahren nutzte. Oft könne die Unfallursache Handynutzung aber nicht nachgewiesen werden, die Dunkelziffer sei sehr hoch, so der Minister. „Das Telefonieren und Anschauen von Nachrichten auf dem Smartphone sind sehr oft Ursachen für schwere Unfälle“, so Reul.
Ziel bis 2015: Zahl der Verkehrstoten nahe Null
Langfristiges Ziel sei auch in NRW die so genannte „Vision Zero“ der Europäischen Kommission. Das heißt, die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahr 2050 nahe Null zu bringen. Dafür müsse es aber gelingen, die "unnötigen Gründe" für Unfälle wie überhöhte Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren.
In den meisten Kategorien sind die Unfallzahlen mit Todesopfern in NRW rückläufig. Fünf Kinder starben im Jahr 2019 bei Verkehrsunfällen – das waren fünf weniger als im Jahr davor. Die Zahl der getöteten jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) sank um 42 Prozent auf 42. Insgesamt 72 Motorradfahrer kamen 2019 bei Unfällen ums Leben, zwei weniger als 2018. Die Polizei zählte insgesamt 3658 Unfälle mit Kradfahrern, das entspricht einem Rückgang von 11,6 Prozent.
Immer mehr illegale Rennen
Die meisten der 458 Verkehrstoten im vergangenen Jahr starben außerhalb geschlossener Ortschaften auf Landstraßen. 185 verunglückten innerorts, 49 auf Autobahnen.
Die Polizei in NRW erfasste im vergangenen Jahr 659 illegale Rennen. Diese Zahl steigt seit Jahren deutlich. 2016 wurden zum Beispiel nur 306 Rennen aktenkundig. 113 Unfälle gab es im Zusammenhang mit illegalen Rennen, zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Der Innenminister erinnerte an den Strafrahmen, der Menschen drohen, die illegal Rennen fahren und dabei Todesopfer in Kauf nehmen. Solche Raser müssten mit lebenslangen Freiheitsstrafen rechnen.
2749 Unfälle mit Pedelec-Fahrern wurden gezählt mit 27 Toten und 620 Schwerverletzten. Besonders Senioren sind häufig in Unfälle mit Pedelecs verwickelt. 15 getötete Pedelec-Fahrer waren älter als 65 Jahre, elf älter als 75.
Risiko Elektro-Scooter
Seit der Einführung der E-Scooter im Juni 2019 wurden in NRW 223 Unfälle mit 341 Beteiligten bekannt. 43 Schwer- und 192 Leichtverletzte Scooter-Fahrer wurden gezählt. Innenminister Reul warnte: "Für die Fahrer von E-Scootern gelten die gleichen Promillegrenzen wie für alle anderen, und natürlich ist auch die Handynutzung auf diesen Rollern verboten."
Besonders große Sorgen macht der Polizei der Umgang mit Alkohol und Drogen im Straßenverkehr. 2019 wurden knapp 14.000 Menschen mit Alkohol am Steuer erwischt – ein Plus von 3,5 Prozent. Noch „dramatischer“ sei der Vergleich der Zahlen bei den Drogen. 2019 stellte die Polizei in NRW 19.271 Verstöße fest, in denen Menschen unter Drogeneinfluss unterwegs waren. Das sind sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor und 58 Prozent mehr als im Jahr 2015. Innenminister Reul sprach von einer „ungeheuren Steigerung“ und von einem „Paradigmenwechsel im Umgang mit Drogen“.
"Paradigmenwechsel" beim Drogenkonsum: Immer mehr Leichtsinn
Der Leichtsinn, Drogen zu konsumieren und dann am Straßenverkehr teilzunehmen, werde immer größer. Reul hat den Eindruck, dass es immer weniger Kampagnen gebe, die vor Drogen warnen. Das könnte eine Erklärung für den leichtsinnigen Umgang mit illegalen Substanzen sein, sagte er.