Düsseldorf. Die Sicherheitsbehörden müssen nun prüfen, ob Shisha-Bars in NRW geschützt werden müssen. Bislang standen die Lokale in einem ganz anderen Ruf.

Der Attentäter von Hanau hatte offenbar keinerlei Bezüge nach Nordrhein-Westfalen. Das verlautete nach einer ersten Prüfung am Donnerstagmorgen aus NRW-Sicherheitskreisen. Den Erkenntnissen zufolge handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 43-jährigen Deutschen, der ein rechtsradikaler Einzelgänger sein soll. Darauf deutet ein 24-seitiges Bekennerschreiben hin, das ein krudes rassistisches Weltbild offenbaren soll.

Der Mann soll am Mittwochabend zehn Menschen erschossen haben, darunter fünf in der Shisha-Bar „Midnight“ am Heumarkt in der Hanauer Innenstadt. Stunden nach dem Verbrechen an zwei unterschiedlichen Tatorten entdeckte die Polizei die Leiche des mutmaßlichen Todesschützen in seiner Wohnung in Hanau. Dort wurde auch die Leiche der 72-jährigen Mutter des Mannes aufgefunden.

Schutzwürdigkeit von Shisha-Bars wurde in NRW nie thematisiert - im Gegenteil

Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden ließen zunächst offen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen etwa gegen Nachahmungstäter auch an Rhein und Ruhr getroffen werden müssen. In NRW waren Shisha-Bars bislang mit öffentlichkeitswirksamen Razzien eher als Aktionsraum der Clan-Kriminalität ausgeleuchtet worden. Die Schutzwürdigkeit der Betriebe und ihrer Gäste wurde nie thematisiert.

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Von Tobias Blasius und Christopher Onkelbach

Die NRW-Polizei rückte in den vergangenen anderthalb Jahren zu rund 860 Großeinsätzen aus und durchsuchte dabei gut 2500 Objekte. Es wurden allein rund 1100 Shisha-Bars gefilzt und mehr als 10.000 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten festgestellt sowie 26.100 Personen kontrolliert. Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte immer wieder mit markigen Worten die Wasserpfeifen-Lokale als „Brennpunkt für krumme Geschäfte“ gebrandmarkt und vor „Shisha-Bar-Romantik“ gewarnt.

Laschet: „Der Feind steht rechts! Wir müssen kämpfen.“

Der Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW, Tayfun Keltek, zeigte sich „bestürzt und schockiert“ über die Taten von Hanau. Er forderte einen grundsätzlich neuen Ton in Politik und Medien gegenüber Muslimen und Menschen mit Migrationshintergrund: „Bilder von Sozialschmarotzern, Clankriminellen, Islamisten und Integrationsunwilligen werden beschworen. Dies leistet der beängstigenden Entwicklung des Rassismus enormen Vorschub“, so Keltek.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat den Hinterbliebenen des Attentats von Hanau sein Mitgefühl und Beileid ausgesprochen. „Wir trauern, wir fühlen, wir leiden mit den Familien der Opfer in Hanau“, erklärte Laschet am Donnerstag auf Twitter. Der Regierungschef fügte hinzu: „Und wir geloben alles menschenmögliche zu Tun, um rechtes Denken, Hetzen und Morden zu besiegen. Der Feind steht rechts! Er träufelt sein Gift in unsere Gemeinschaft. Wir müssen kämpfen.“

In Bergisch Gladbach wurde im Herbst 2019 auf eine Shisha-Bar geschossen

In Bergisch Gladbach war es in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 2019 schon einmal zu Schüssen aus einem Auto heraus auf eine Shisha-Bar in Bahnhofsnähe gekommen. Damals gab es jedoch weder Verletzte noch Hinweise auf ein rechtsradikales Motiv. Innenminister Reul hatte damals im Landtag klar gestellt, dass die Shisha-Bar in Bergisch Gladbach „keinen bekannten Kriminalitätshotspot“ darstelle, auch wenn es vor Jahren eine gewisse Nähe des Lokals zu bestimmten Rockergruppen gegeben haben soll.

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Für den Erziehungs- und Migrationswissenschaftler Prof. Ahmet Toprak von der FH Dortmund ist es kein Zufall, dass sich der mutmaßliche rechtsextreme Täter eine Shisha-Bar für seine mörderische Tat aussuchte. „Die Gäste solcher Bars sind in der Regel junge muslimische Männer aus dem arabischen, türkischen oder kurdischen Milieus“, sagte Toprak. „Es sind klassische Männlichkeitsorte, an denen man keine Frauen und nur selten Deutsche antrifft“, so Toprak.

Eine Tat mit einem solch furchtbaren Ausmaß und zehn Toten sei beispiellos in Deutschland. Die Morde werden in der muslimischen Gemeinde „einen Aufschrei“ auslösen, glaubt Toprak. „Falls sich das Motiv bestätigt, wird es die Ängste unter den Migranten weiter schüren. Die Muslimfeindlichkeit wird ohnehin immer offener ausgetragen.“

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Zu befürchten sei, dass sich muslimische Männer zu Reaktionen herausgefordert fühlen und sich radikalisieren könnten. Rund 6000 Shisha-Bars gebe es in Deutschland, die könne man nicht alle schützen, so Toprak. Die Gefahr, dass es Nachahmer geben könnte, sei gegeben. „Man kann nur alle Seiten zur Besonnenheit und Zurückhaltung aufrufen.“