Düsseldorf. Erst Essen, jetzt vermeidet auch Dortmund Diesel-Fahrverbote. Die Streitparteien Umwelthilfe und Land NRW erreichen einen guten Kompromiss.
In Dortmund wird es – so wie in Essen – absehbar keine Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge geben. Die Stadt wird aber im Kampf gegen zu hohe Stickstoffdioxid-Werte (NO2) unter anderem eine Umweltspur auf der besonders belasteten Brackeler Straße einführen und auf der Ruhrallee mit neuer Ampelschaltung und Tempo 30 versuchen, den Verkehr zu reduzieren. Auf diesen Kompromiss haben sich das Land NRW und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geeinigt, wie das vermittelnde Oberverwaltungsgericht Münster am Mittwoch mitteilte. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser sprach von einem Erfolg. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte sie. Der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Dortmund sei es gelungen, wirksame Maßnahmen festzulegen, mit denen eine bessere Luftqualität an den NO2-“Hotspots“ in Dortmund erreicht werden könne. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, wurden weitere Maßnahmen bereits fest verabredet.
Nach dem Kompromiss für Essen im Dezember ist es dem Land NRW und der Umwelthilfe damit ein zweites Mal gelungen, beim Thema Diesel-Fahrverbote einen Vergleich zu erzielen. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch erinnerte daran, dass in Dortmund seit zehn Jahren die Grenzwerte für NO2 überschritten werden. Der Vergleich „ändert diesen gesetzwidrigen Zustand und sorgt für saubere Luft“, sagte Resch.
Am morgigen Donnerstag will das Oberverwaltungsgericht erklären, ob es gelungen ist, auch für die Luftreinhaltung in Bonn einen Kompromiss zu erzielen. In weiteren Vergleichsgesprächen geht es am 11. Februar um Wuppertal und Hagen, am 12 Februar um Oberhausen, Gelsenkirchen, Bielefeld, Paderborn, Bochum und Düren.
„Guter und fairer Vergleich“
Drohende Diesel-Fahrverbote gehören zu den großen Aufreger-Themen in NRW. Lange reagierte die Landesregierung eher trotzig-verbissen auf das Unheil, das sich im Streit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ankündigte. Aber seit Ursula-Heinen-Esser (CDU) in NRW die Minister-Verantwortung für Umwelt trägt, entspannt sich die Lage. Am Mittwoch trat die Kölnerin locker und zuversichtlich im Landtag mit guten Nachrichten vor die Kameras: Nach Essen kommt nun auch Dortmund vorerst um Fahrverbote herum.
„Gut und fair“ sei der Vergleich, den das Land NRW und die Umwelthilfe für Dortmund geschlossen haben, sagte die Ministerin, die persönlich an den Vergleichsverhandlungen zu Fahrverboten in Essen und Dortmund teilgenommen hatte. Berührungsängste mit dem „Gegner“ im Streit um überschrittene Stickstoffdioxid-Werte (NO2), Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch, hatte sie nie. Offenheit und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten zahlen sich nun aus. Zumindest in den zwei großen Revierstädten.
17 Seiten dick ist das Konzept, mit dem es in Dortmund endlich gelingen soll, die NO2-Werte unter den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel zu drücken. Am „Hospot“ Brackeler Straße, in der Nähe des Borsigplatzes, wurden nach vorläufigen Zahlen des Landesumweltamtes im Jahr 2029 noch 45 Mikrogramm gemessen. 2018 waren es 51. Auch an der Bundesstraße 1/A40 sind die NO2-Werte auf Dortmunder Stadtgebiet zu hoch. Um das zu ändern, haben Dortmund und die Bezirksregierung Arnsberg ein dickes Maßnahmenbündel geschnürt. „Wir meinen es ernst, beteuerte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). „Unsere Luftwerte sollen nicht nur an den Messpunkten, sondern überall in der Stadt besser werden“.
Umweltspur und Tempo 30
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Auf der Brackeler Straße wird eine Umweltspur in Fahrtrichtung Borsigplatz eingerichtet, auf der nur noch Busse, Autos mit E-Kennzeichen und Fahrräder fahren dürfen. Zwischen „Borsigplatz“ und „Im Spähenfelde“ wird die Geschwindigkeit in Kürze von 50 auf 30 km/h begrenzt. Umweltspur und Tempo 30 sollen den Verkehr hier um 20 Prozent reduzieren. Ministerin Heinen-Esser rechnet nicht damit dass die Verdrängung des Verkehrs zu schlechterer Luftqualität in anderen Teilen der Stadt führen könnte. Die Prognosen deuteten nicht darauf hin.
Das Lkw-Durchfahrverbot auf der B1 wird nicht mehr nur nachts, sondern 24 Stunden am Tag gelten. Auf der Ruhrallee wird zwischen Wall und B1/Rheinlanddamm in beiden Richtungen statt Tempo 50 Tempo 30 gelten. Mit der niedrigeren Geschwindigkeit und durch geänderte Ampelschaltungen wird der Fahrzeugzufluss hier um ein Fünftel reduziert, so die Planung. Ministerin Heinen-Esser rechnet nicht damit dass die Verdrängung des Verkehrs zu schlechterer Luftqualität in anderen Teilen der Stadt führen könnte. Alle Prognosen deuteten darauf hin, dass es andernorts nicht zu höheren Belastungen kommen werde.
Dortmund will noch viele weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung treffen. 80 Prozent des städtischen Fuhrparks sollen bis 2022 elektrisch betrieben sein. Die Stadt setzt zum Beispiel auch auf mehr Taxis mit E-Motor, mehr Ladesäulen für E-Autos, günstigere Nahverkehrstickets und den Ausbau des Radewegenetzes.
Umwelthilfe: „Wir haben die Verkehrswende in Dortmund beschleunigt“
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Jürgen Resch, der „Gegenspieler“ der Landesregierung im Streit um Diesel-Fahrverbote, war am Mittwoch sehr zufrieden. „Wir freuen uns, mit unserer Klage die notwendige Verkehrswende in Dortmund hin zu weniger Pkw und mehr Bus, Bahn und Fahrrad beschleunigt zu haben“, schrieb Resch in einer Pressemitteilung der DUH. Sollten die Grenzwerte für NO2 an einzelnen Messstellen dennoch bis zum 30. Juni 2021 nicht eingehalten werden, wollen das Land NRW und die DUH weiter verhandeln. Sollten sie sich dann nicht einigen können, werde eine „Schiedsstelle“ eingeschaltet.
Unklar ist, ob die für Essen und Dortmund erzielten Kompromisse eine Blaupause sind für die Luftreinhaltung in anderen Städten in NRW, zum Beispiel in Bochum, Gelsenkirchen, Oberhausen und Hagen. Darüber wird in drei Wochen verhandelt. Offen und konstruktiv, wie es heißt.