Bochum. In NRW gibt es trotz gestiegener Zahlen weiterhin sehr wenig Organspender. Auch die Widerspruchslösung wird das nicht ändern, sagen Experten.
NRW ist weiter Schlusslicht bei der Zahl der Organspender. Experten und Vereine bezweifeln einen Anstieg der Zahlen, sollte der Bundestag am 16. Januar die doppelte Widerspruchslösung beschließen, die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürwortet wird. „Vielmehr müsste ein Wandel in den Kliniken stattfinden“, sagte der Bochumer Gesundheitsexperte und Medizinethiker Jochen Vollmann.
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Die Zahl der Organspender in NRW stieg im vergangenen Jahr zwar von 163 auf 179 und die Zahl der gespendeten Organe von 494 auf 586. Bezieht man diese Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) jedoch auf die Einwohnerdichte, fällt NRW unter den Bundesdurchschnitt: Unter einer Million Einwohnern gab es 2019 genau zehn Organspender, deutschlandweit sind es 11,2 – im internationalen Vergleich nach wie vor ein sehr geringer Wert. Die Zahl der Organspender hat sich im Bund auf rund 950 eingependelt.
Die Angehörigen werden auch bei der Widerspruchslösung gefragt
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Eine aus ihrer Sicht „erfreuliche Entwicklung“ verzeichnet die DSO bei den Kontaktaufnahmen der Kliniken zur Organspende. Diese seien um sieben Prozent auf 3000 Meldungen gestiegen.
Eine Offenheit gegenüber dem Thema ist laut Vollmann aber nicht ausschlaggebend. Der Grund: Der Hirntod als Todeskriterium. „Angehörigen fällt es oft schwer zu glauben, dass ein warmer, rosiger Körper mit Herzschlag tot sein soll.“ Daran würde die Widerspruchslösung wenig ändern. Durch sie wird jeder automatisch zum Spender – außer man widerspricht. Aber auch hier sind Angehörige vor der Organentnahme zu fragen – nicht nach einer eigenen Entscheidung, sondern ob ein Nein oder ein anderer Willen des Verstorbenen bekannt ist.
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Der Verein Netzwerk Organspende NRW fordert mehr Aufklärung – besonders in den Krankenhäusern. „Kliniken sollten Spender gezielter identifizieren“, so Sprecherin Konstanze Birkner. Vollmann betont, die Organentnahme sei im Vergleich zur Transplantation eine wenig lukrative und angesehene Tätigkeit. Es müsse einen „Struktur- und Wertewandel“ und eine Stärkung der Transplantationsbeauftragten geben.
Organspende als Selbstverständlichkeit
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Die Krankenhausgesellschaft NRW betont, alle Häuser in NRW hätten mittlerweile einen solchen Beauftragten. Die grundsätzlich skeptische Haltung in Deutschland sorge eher für die geringen Zahlen. Sprecher Lothar Kratz: „Die Widerspruchslösung wird das nicht einfacher machen.“ Die Deutschen Stiftung Organtransplantation glaubt dagegen, Spahns Lösung werde die Organspende am Lebensende zur Selbstverständlichkeit machen.
Am Donnerstag (16. Januar) will der Bundestag über Anträge zur Regelung von Organspenden abstimmen. Eine Gruppe um Bundesgesundheitsminister Spahn und SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach tritt dabei für die Umkehrung des jetzigen Grundsatzes ein. Nach ihren Plänen soll jeder potenzieller Organspender sein, der dem zu Lebzeiten nicht widerspricht.
Knappes Ergebnis erwartet
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Dies lehnt eine Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock ab. Ein weiterer Gesetzentwurf sieht deshalb die sogenannte Entscheidungslösung vor. Demnach soll eine Organentnahme weiterhin nicht ohne ausdrücklich geäußerten Willen des Spenders möglich sein. Allerdings soll die Spendebereitschaft regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt erfragt werden.
Lauterbach geht von einem sehr knappen Ergebnis aus. Rund 30 Prozent der Abgeordneten seien noch Unentschieden. (mit dpa)