Essen. Die Zahl der Berufspendler im Ruhrgebiet steigt und steigt. Doch das liegt nicht allein an der Rekordbeschäftigung.

Immer mehr Menschen im Ruhrgebiet pendeln zur Arbeit in eine anderen Stadt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die für ihren Job täglich ihre Stadt verlassen und damit einen längeren Arbeitsweg in Kauf nehmen, stiegt in den 25 Jahren zwischen 1993 und 2018 um über 183.000 auf knapp 886.000 Erwerbstätige. Im selben Zeitraum sank der Anteil derjenigen, die nicht pendeln und an ihrem Wohnort arbeiten, von knapp 60 Prozent auf nur noch 51 Prozent.

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Die Werte stammen aus einem aktuellen Langzeitvergleich des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Die Statistik legt dabei einen tiefgreifenden Wandel im Pendlerverhalten der Region offen. Denn die Gesamtzahl der Beschäftigten in den beiden Vergleichsjahren ist nahezu gleich, das starke Pendleraufkommen demnach nicht zwangsläufig alleinige Folge der jüngsten Rekordbeschäftigung.

Großteil der Pendler nutzt das Auto

Die zunehmende Mobilität der Beschäftigten ist laut RVR-Statistik vor allem ein großstädtisches Phänomen. In den kreisfreien Revier-Städten stieg die Auspendlerquote seit 1993 nämlich überproportional von 31,5 auf über 48 Prozent. In Bottrop, Herne, Oberhausen und Mülheim lag der Auspendler-Anteil sogar jeweils bei über 60 Prozent. Besonder stark wuchs die Zahl der Auspendler in Hamm (plus 78,8 Prozent), Dortmund (plus 72,6) und Bochum (plus 69,3). Aus allen elf Ruhr-Großstädten pendeln insgesamt rund 200.000 Berufstätige mehr in eine andere Stadt als noch vor 25 Jahren. In den vier Ruhrgebietskreisen sank die Bereitschaft, über die Stadtgrenzen hinaus zur Arbeit zu pendeln, dagegen leicht.

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Aus Sicht von Wirtschaftsgeograph Rudolf Juchelka von der Universität Duisburg-Essen sind die hohen Pendlerzahlen eine typisches Ruhrgebiets-Eigenart. „Die Menschen im Ruhrgebiet suchen sich ihren Wohnort danach aus, ob ihnen das Umfeld passt, die Mieten bezahlbar sind oder ob dort etwa ein neues Baugebiet entsteht. Die Lage des Arbeitsplatzes spielt bei der Wahl des Wohnortes hier faktisch keine Rolle“, sagte Juchelka der WAZ. Zugleich warnte der Forscher vor den Folgen des gewandelten Pendlerverhaltens. Der Druck auf die Verkehrssysteme der Region werde künftig weiter zunehmen.

Ein Großteil der Pendlerströme fließt dabei nach wie vor über Straßen und Autobahnen der Region. Nach einer früheren Erhebung des Statistischen Landesamtes fahren mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten in NRW mit dem Auto zur Arbeit. Bei insgesamt deutlich gestiegenen Pendlerzahlen hat sich der Anteil des Pkw-Verkehrs seit dem Jahr 2000 damit praktisch nicht verändert.