Essen/Düsseldorf. Die Zahl der Berufspendler an Rhein und Ruhr ist so hoch wie noch nie. Experten fordern die Politik auf, endlich gegenzusteuern.

Angesichts neuer Rekordzahlen bei den Berufspendlern fordern Verkehrsexperten die Politik zum Gegensteuern auf. „Es ist doch verrückt, dass immer mehr Menschen einen Großteil ihrer Lebenszeit in Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln zubringen, nur um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen“, sagte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen der WAZ.

Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Aus Sicht des „Autoprofessors“ muss die Politik Bürgern endlich konkrete Anreize bieten, näher an ihren Arbeitsort zu ziehen. „Statt die Menschen durch die Pendlerpauschale für weite Berufswege noch zu belohnen, sollte man ihnen das Geld lieber auszahlen, falls sie an ihren Arbeitsort umziehen“, sagte Dudenhöffer. Die steuermindernde Pendlerpauschale könne beim Immobilienkauf über 15 Jahre etwa mit der Grunderwerbsteuer verrechnet werden oder in Form von Mietzuschüssen ausgezahlt werden, so der Verkehrswissenschaftler.

Boom auf dem Arbeitsmarkt

Laut dem am Donnerstag veröffentlichten Pendleratlas NRW des Statistischen Landesamtes ist die Zahl der Berufspendler an Rhein und Ruhr so hoch wie noch nie. Im vergangenen Jahr pendelten rund 4,73 Millionen Berufstätige in NRW über die Grenzen ihres Wohnortes hinweg zur Arbeit – 700.000 mehr als 2010. Die Zahl dieser so genannten Auspendler stieg damit binnen acht Jahren um 17,4 Prozent – und damit deutlich stärker als die Gesamtzahl der Erwerbstätigen im selben Zeitraum (plus 11,9 Prozent).

Der Boom auf dem Arbeitsmarkt schlägt sich im Pendlerverhalten also überproportional in weiteren Arbeitswegen nieder. Allein in die drei NRW-Pendler-Hochburgen Köln (344.948), Düsseldorf (312.969) und Essen (153.125) pendeln täglich zusammen mehr als 811.000 Erwerbstätige. Die Folgen: verstopfte Straßen, überfüllte Züge und höhere Umweltbelastungen. Die Zahl der Berufstätigen, die vor Ort in ihrer Heimatstadt arbeiten, stieg seit 2010 lediglich um 6,6 Prozent.

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Zuletzt hatte die Gewerkschaft IG Bau die seit Jahren steigenden Pendlerzahlen beklagt. Die Gewerkschaft sprach von einem „alarmierenden Trend“. Eine Hauptursache für den Pendel-Boom sei der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten. Eine wachsende Zahl von Menschen könne sich das Wohnen dort, wo in den letzten Jahren besonders viele Jobs entstanden seien, nicht mehr leisten.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit pendelten im vergangenen Jahr bundesweit 39 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in eine andere Stadt oder einen anderen Kreis zur Arbeit.