Düsseldorf. Justizminister Biesenbach galt zu Oppositionszeiten als hartnäckigster Ermittler. Jetzt bringen ihn Lügen-Vorwürfe an den Rand des Amtsverlusts.
Als Peter Biesenbach im vergangenen Jahr einmal von seiner Heimatzeitung in Hückeswagen zum neuen Leben als NRW-Justizminister befragt wurde, gehörte zu den größten Entbehrungen des Amtes bloß die fehlende Zeit für Jogging-Runden an der Bever-Vorsperre. Ansonsten konnte es der CDU-Politiker damals genießen, dass nicht er, sondern seine Kabinettskollegen Herbert Reul und Christina Schulze Föcking permanent im Feuer der öffentlichen Kritik standen. „Für mich ist das ein gutes Zeichen“, bilanzierte Biesenbach entspannt und ließ sich im roten Pullover mit einem Irland-Reiseführer in der Hand auf der heimischen Ledercouch fotografieren.
Als Biesenbach am Donnerstagmorgen ans Rednerpult des Landtags tritt, ist von Gelassenheit nichts mehr zu spüren. Der Senior im Kabinett von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der im Februar 72 Jahre alt wird, spricht mit belegter Stimme. Sein Dauerlächeln, ein Markenzeichen, wirkt schockgefroren. Biesenbach spricht gegen hämisches Rumoren an, hat Mühe, sich Gehör zu verschaffen. „Wenn Sie mir nicht zuhören wollen, dann sagen Sie es mir, dann kann ich wieder gehen“, ruft er den Abgeordneten zu. Es klingt beleidigt, verzweifelt.
Ein Anruf beim ermittelnden Staatsanwalt und gleich danach bei der Ministerkollegin
Biesenbach ringt um sein Amt. Und seine Glaubwürdigkeit. Der Justizminister wird verdächtigt, vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur „Hacker-Affäre“ um Ex-Umweltministerin Schulze Föcking (CDU) die Unwahrheit gesagt zu haben. Biesenbach hatte am 29. März 2018 persönlich den ermittelnden Oberstaatsanwalt im Fall Schulze Föcking angerufen. Dieser befand sich gerade im Steinfurter Schweinemast-Betrieb der Umweltministerin und wollte ihr eröffnen, dass ihre Anzeige wegen eines angeblichen Hacker-Angriffs auf ihr heimisches W-LAN-Netz nicht weiterverfolgt werde. Die IT-Experten des Landeskriminalamtes hatten herausgefunden, dass höchstwahrscheinlich bloß Schulze Föckings Mutter ein Bedienfehler unterlaufen war. Für die Landesregierung entstand dadurch eine hochpeinliche Situation, weil der Regierungssprecher vorschnell öffentlich den Eindruck eines kriminellen Eingriffs bei der damals angeschlagenen Umweltministerin erweckt hatte.
Nach dem Biesenbach-Anruf wurde noch monatelang weiterermittelt. Der Justizminister bestritt im Untersuchungsausschuss jedoch eine Einmischung und sagte auf die Frage, ob er auch mit Schulze Föcking selbst über den Ortstermin der Staatsanwaltschaft in Steinfurt gesprochen habe: „Nein.“ Eine Auswertung seiner Telefonverbindungsdaten zeigt nun, dass Biesenbach nach Ende des Gesprächs mit dem Oberstaatsanwalt umgehend Schulze Föcking anrief.
Eine Lüge im Untersuchungsausschuss ist strafbar. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat aber von einem Ermittlungsverfahren abgesehen, weil man ja nicht wisse, worüber der Minister mit Schulze Föcking gesprochen habe. Dass es lebensfremd erscheint, dass Biesenbach nicht über die Ermittlungen redete, muss eine Strafverfolgungsbehörde nicht interessieren. Dort weiß natürlich jeder, dass ihr oberster Dienstherr sofort zurücktreten müsste, wenn die Justiz ein Verfahren einleiten würde.
Zu Oppositionszeiten hatte Biesenbach einen tadellosen Ruf
Biesenbach behauptet, er habe den Anruf vergessen. Am Donnerstag will er im Landtag gar nichts mehr zur Sache sagen, weil er ja nochmals als Zeuge im Untersuchungsausschuss gehört werde. Für die Opposition steht fest, dass sich Biesenbach möglicherweise nicht strafbar, aber in jedem Fall politisch unmöglich gemacht hat. „Für uns haben Sie die Glaubwürdigkeit verspielt“, sagt der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld. AfD-Fraktionschef Markus Wagner wirft dem Minister „Vertuschen, Verschleiern, Verschweigen“ vor. SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders erklärt: „Mein Anspruch an einen Justizminister ist Aufrichtigkeit.“
Gerade der Vorwurf der fehlenden Integrität dürfte Biesenbach treffen. In bald 20 Jahren als Landtagsabgeordneter hatte er sich einen tadellosen Ruf erarbeitet. Er leitete so viele Untersuchungsausschüsse wie kein anderer Parlamentarier. Als „Chefaufklärer“ wurde Biesenbach gerühmt. Landesminister zu werden, war sein Lebenstraum. Zweimal, 2005 und 2012, wähnte er sich nahe am Ziel, doch erst 2017 wurde er es. In der oft elitären Juristerei kam der freundliche Herr Biesenbach, der nach der Realschule über den zweiten Bildungsweg Anwalt wurde, erfrischend unprätentiös daher. Immer wieder musste er zuletzt zwar Pannen im riesigen Justiz-Apparat erklären, doch nichts beschädigte ihn persönlich so sehr wie jetzt der Lügen-Vorwurf.