Essen. Behinderte haben nach wie vor Probleme, in Busse und Bahnen zu kommen. Denn in vielen Städten unserer Region stockt der barrierefreie Ausbau.

Der barrierefreie Ausbau von Bus- und Straßenbahn-Haltestellen in der Rhein-Ruhr-Region kommt nur schleppend voran. Die meisten Städte werden das gesetzlich festgelegte Ziel, bis Anfang 2022 an praktisch allen Haltestellen einen stufenlosen Zugang zu Bussen und Bahnen zu gewährleisten, offenbar weit verfehlen. Das geht aus einem internen Bericht des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) hervor, der unserer Redaktion vorliegt.

Nur knapp ein Drittel der insgesamt gut 24.000 Haltestellen im VRR-Gebiet sind demnach barrierefrei gestaltet. Lediglich fünf der insgesamt 23 VRR-Kommunen beziehungsweise -Kreise erreichen einen Ausbaustand von über 50 Prozent. Die allermeisten liegen zum Teil weit darunter.

Oberhausen, Bottrop und Mülheim vorne beim barrierefreien Ausbau

Auch interessant

Musterknaben beim barrierefreien Ausbau des ÖPNV sind ausgerechnet zwei vergleichsweise finanzschwache Revierstädte. Oberhausen gibt mit einer Ausbauquote von 88 Prozent die Messlatte vor. Die Straßenbahn-Haltestellen in der Revierstadt sind sogar bereits komplett barrierefrei.

Bottrop folgt auf Platz zwei, allerdings mit gehörigem Abstand (63 Prozent). Das drittbeste Ergebnis erzielt Mülheim (57 Prozent).

Die zentralen Revierstädte mit ihren großen Verkehrsbetrieben und Millionen von Fahrgästen haben in Sachen Barrierefreiheit dagegen noch großen Nachholbedarf. In Essen und Duisburg liegt die Ausbauquote bei 31 Prozent beziehungsweise 30 Prozent. In Dortmund ist sogar nur ein Viertel aller Haltepunkte barrierefrei. Noch schlechtere Werte erreichen Mönchengladbach (18 Prozent), Krefeld (14 Prozent) und Hagen (13 Prozent).

Schlusslicht: der Kreis Kleve

Auch interessant

Ausreißer nach unten ist der Kreis Kleve. Dort sind erst acht Prozent aller Haltestelle an die Erfordernisse von zum Beispiel Rollstuhlfahrern, Gehbehinderten und Eltern mit Kinderwagen angepasst.

Ein besonders drastisches Negativbeispiel ist auch Wuppertal, obwohl der Zugang zur dortigen Schwebebahn mit 100 Prozent geradezu vorbildlich barrierefrei ist. In der Wupper-Stadt gibt es freilich nur 40 Schwebebahn-Haltestellen. Von den 1330 Bushalten sind dort nur fünf Prozent umgebaut.

Barrierefreier Umbau wird vom VRR gefördert

Auch interessant

Angesicht der großen Unterscheide beim Ausbaustand der einzelnen Städte sprechen VRR-Insider von einem erschreckenden Missverhältnis, das allein durch topografische Besonderheiten nicht zu erklären sei. Auch das Geld könne keine entscheidende Rolle spielen.

Der Umbau einer Haltestelle auf Barrierefreiheit koste rund 20.000 Euro und werde vom VRR zu 90 bis 95 Prozent gefördert. Seit 2008 hat der VRR den Ausbau von mehr als 2500 Haltestellen mit insgesamt 206 Millionen Euro mitfinanziert.

Barrierefreier Ausbau muss bis 2022 erreicht sein

Behindertenvertreter sehen die Entwicklung mit Sorge. „Gerade Menschen mit Behinderung sind darauf angewiesen, dass der öffentliche Personennahverkehr barrierefrei nutzbar ist“, sagte Doro Kuberski vom Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Von einem stufenlosen Einstieg in Bus und Bahn profitierten aber auch Mütter und Väter mit Kinderwagen sowie Senioren, so Kuberski.

Der barrierefrei Ausbau von Haltestellen wurde 2013 im Personenbeförderungsgesetz festgeschrieben und muss bis Anfang 2022 erreicht sein. Ausnahmeregelungen gibt es für baulich nur schwer umzusetzende Maßnahmen.