Düsseldorf/Münster. Fällt das NRW-Verfassungsgericht Schwarz-Gelb beim Herumdoktern am Kommunalwahlrecht in den Arm? In der Verhandlung gab es kritische Nachfragen.
Gut zehn Monate vor der nächsten Kommunalwahl in NRW liefern sich die schwarz-gelbe Landesregierung und die rot-grüne Opposition einen erbitterten Machtkampf, der wie so häufig in der landespolitischen Geschichte vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster ausgetragen wird.
Konkret ging es in einer Verhandlung am Dienstag um die von Schwarz-Gelb beschlossene Wiederabschaffung der Bürgermeister-Stichwahlen. Sie ist seit 20 Jahren ein Zankapfel: 1999 eingeführt, 2007 wieder abgeschafft, 2011 wieder eingeführt. Bei aller Unterschiedlichkeit der Kommunalwahlsysteme in Deutschland kommt es inzwischen überall zur Stichwahl, wenn ein Bürgermeister-Kandidat im ersten Wahlgang nicht mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (absolute Mehrheit) erhält.
CDU und FDP wollen das nun wieder ändern und argumentieren mit der abnehmenden Zahl von Stichwahlen in NRW zwischen 1999 und 2014/15 sowie der mancherorts schwindenden Wahlbeteiligung an den zweiten Durchgängen. Man erhöhe mit der Abschaffung der Stichwahl die Legitimation der Bürgermeister.
„Schwarze Bewerber“ rechnen sich bessere Chancen aus
SPD und Grüne wittern dagegen eine Strategie, um 2020 mehr CDU-Bürgermeister ins Amt zu hieven. Tatsächlich könnte es bei einer zunehmend zersplitterten Parteienlandschaft mit drei 20-Prozent-Parteien CDU, SPD und Grünen für „schwarze“ Bewerber in einigen Großstädten leichter sein, in nur einem Durchgang ans Ziel zu kommen. In einer Stichwahl würde sich das rot-grüne Wählerpotenzial möglicherweise hinter dem Konkurrenten versammeln.
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Wenn das Verfassungsgericht der Regierungskoalition nicht mehr in den Arm fällt, könnten im kommenden Jahr Bürgermeister gewählt werden, die theoretisch sogar eine Mehrheit ihrer Kommune gegen sich hätten, machte der Rechtswissenschaftler Martin Morlok als Rechtsbeistand von SPD und Grünen in Münster deutlich. Ohne Stichwahl werde der tatsächliche mehrheitliche Willen des Volkes nicht „zuverlässig ermittelt“.
CDU und FDP in Erklärungsnöten
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CDU und FDP mussten ihre Argumente für die Abschaffung in den vergangenen Monaten mehrfach nachbessern. Zunächst hatten sie sich auf einen Verfassungsgerichts-Entscheid von 2009 berufen, der dem Gesetzgeber eine fortwährende Prüfung der Legitimation von Stichwahlen aufgab. Peinlicherweise stellte ausgerechnet der frühere Präsident des höchsten NRW-Gerichts, Michael Bertrams, in einem Zeitungsbeitrag klar, dass Schwarz-Gelb eben nicht im Sinne seines zehn Jahre alten Verfassungsurteils handele.
Die Kommunalwahl 2015 zeigte vielmehr, dass die siegreichen Kandidaten in 45 von 49 Fällen mehr Stimmen als im ersten Wahlgang erzielten. In einem Drittel der Fälle konnte der vormals Zweitplatzierte die Wahl am Ende für sich entscheiden. Die Stichwahl führte also dazu, dass ein von der Mehrheit gewünschter Kandidat ins Rathaus einziehen konnte.
Schwarz-Gelb argumentiert dennoch, die Stichwahl schwäche den späteren Bürgermeister, weil sich Anhänger der ausgeschiedenen Kandidaten im Stechen desinteressiert abwenden könnten.
SPD und Grüne schöpfen vor Gericht neue Hoffnung
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Die Vertreter von SPD und Grünen schöpften am Dienstag Hoffnung aus der Tatsache, dass das Verfassungsgericht bei der Begründung der Koalition zur angeblich notwendigen Abschaffung der Stichwahl spürbar nachhakte. Muss die Koalition hier mehr Nachweise liefern als die bloße Behauptung, das Stechen schade der demokratischen Beteiligungslust?
„Das Gericht hat viele kritische Nachfragen insbesondere zur Beobachtungspflicht und zur Prognose von Wahlentwicklungen gestellt“, so SPD-Fraktionsvize Christian Dahm. Auch Grünen-Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh vermutete: „Das intensive Nachfragen des Gerichtes verdeutlicht, dass die Entscheidung der Regierungsfraktionen, die Stichwahl abzuschaffen, verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte.“ Das Urteil wird im Dezember erwartet.
Für die Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) steht viel auf dem Spiel, da Herumdoktern am Wahlrecht immer unter Trickserei-Verdacht steht. Sogar in Teilen der FDP-Basis herrscht Unverständnis, weil man der CDU die Hand zu diesem Manöver reicht. Noch 2011 hatten die Liberalen, die sich gerne „Rechtsstaatspartei“ nennen, für die Wiedereinführung der Stichwahlen gestimmt.