Essen. Der Kabinettsbeschluss zur „Ruhrkonferenz“ stößt auf ein breites Echo. Doch die Meinungen klaffen teils weit auseinander.

Die schwarz-gelbe Landesregierung will das Ruhrgebiet zur "Chancenregion Ruhr" umbauen und hat dazu für das kommende Jahr 60 Millionen Euro für die Weiterentwicklung von Zukunftsprojekten bewilligt. Der Kabinettsbeschluss zur „Ruhrkonferenz“ stößt auf ein breites Echo in der Region. Doch die Ansichten über die Handhabung der möglichen Zukunftsprojekte für den größten deutschen Ballungsraum gehen teils weit auseinander.

Vor allem aus den Reihen der SPD hagelt es Kritik. Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty spricht von einem „Offenbarungseid“ der Regierung Laschet, der Sprecher der Ruhr-SPD-Bundestagsabgeordneten, Michael Groß von einem „Sammelsurium von Projektanträgen ohne jede Schwerpunktsetzung.“ Ausgerechnet die Emscher-Lippe-Region komme in der Projektliste der Ruhrkonferenz kaum vor, „obwohl dort doch die größten Probleme sind“, sagte der Recklinghäuser Bundestagabgeordnete auf Nachfrage. Laschet (CDU) laufe mit der leeren Gießkanne durchs Revier und verteile Geld, dass er noch nicht habe.

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Mehr Wasser in die Städte: Ursula Heinen-Esser (CDU), NRW Umweltministerin, und Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, präsentierten ihre Ideen für ein klimagerechtes Ruhrgebiet. Dazu gehört auch eine Investition in den Nahverkehr.
Von Michael Kohlstadt und Christopher Onkelbach

Enttäuscht äußerte sich auch Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski. Der Chef der Ruhr-SPD sagte: „Das Ruhrgebiet wartet weiter auf den großen Wurf.“ Gelsenkirchen habe sich mit insgesamt 45 Projektvorschlägen intensiv an der Ruhr-Konferenz beteiligt. „Nicht eine unserer Ideen findet sich unter den jetzt noch 74 Projektideen wieder“, so Baranowski. Die Ruhrkonferenz bleibe weit hinter den Erwartungen zurück.

Ulrich Paetzel, Chef der Emscher-Genossenschaft, gibt dem Land hingegen gute Noten: „Für den Klimaschutz und die Klimaanpassung in NRW und im Ruhrgebiet ist das ein guter Tag. Unsere beiden Projekte im Themenfeld Grüne Infrastruktur können umgesetzt werden“, sagte das SPD-Mitglied dieser Zeitung. Gemeinsam mit dem Umweltministerium könne man bereits Anfang Januar starten. Anders die Grünen. Der Landesverband spricht gar von einem „Hütchenspielertrick“ der Landesregierung. Es gebe „sicher einige gute Ideen“, aber weder eine konkrete Zeitleiste, noch klar definierte Meilensteine und fixierte Summen im Haushalt, sagte Ko-Landeschef Felix Banaszak.

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NRW-Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff bezeichnete den Kabinettsbeschluss hingegen als „wichtiges Etappenziel“. Kernherausforderung für das Ruhrgebiet bleibe die Stärkung seiner wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit. Auf dieses Ziel zahlten sämtliche fünf strategischen Handlungsfelder ein, so Kirchhoff. Jetzt komme es darauf an, die Projektideen weiter so zu konkretisieren und zu entwickeln, damit der ehrgeizige Anspruch der Ruhr-Konferenz auch in der nun anstehenden Umsetzungsphase erreicht werden könne.

Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg und Sprecher der sechs Revier-Kammern, sagte: „Es ist gut, dass es jetzt einen Vorschlag gibt. Uns freut besonders, dass die Landesregierung dem Thema Mobilität einen hohen Stellenwert einräumt.“ Die Kammern hatten eigene Vorschläge für die Ruhrkonferenz vorgelegt und den schleppenden Fortgang kritisiert.

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Auf Distanz ging dagegen der Deutsche Gewerkschaftsbund. Obwohl selbst Mitglied im Beirat der Ruhrkonferenz blickt Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW kritisch auf die Beschlüsse der Landesregierung: „Die jetzt vorgestellte Projektliste lässt nicht nur bei der Finanzierung noch viele Fragen offen“, sagte Weber. Zwar gebe es gute Ansätze wie der Zukunftscampus zur Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung. Doch noch sei nicht ausreichend erkennbar, wie die handfesten strukturellen Defizite des Ruhrgebiets angegangen werden sollten.

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Der Regionalverband Ruhr lobt die „guten Projekten“ der Ruhrkonferenz, vermisst aber klare Aussage zur Finanzierung. Im Bereich Mobilität gehe es um Milliardenbeträge, bei denen der Bund in die Pflicht genommen werden müsse, so RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel. Dass die Altschuldenproblematik vor die Klammer gezogen wurde, sei gut. Geiß-Netthöfel: „Damit sind aber längst nicht alle Fragen der Kommunalfinanzen gelöst.“