Düsseldorf. Juniorpartner bei Schwarz-Grün? Die NRW-Grünen wirken inzwischen so stark, dass eine Machtoption jenseits von Laschet attraktiv werden könnte.
Seit fast 25 Jahren arbeitet Monika Düker für die Grünen auf Landesebene, aber so schön schwierig wie jetzt war es noch nie. Die 56-jährige Sozialpädagogin hat als Landtagsmitarbeiterin angefangen, war Landesvorsitzende und übernahm vor zwei Jahren in höchster Not den Landtagsfraktionsvorsitz an der Seite des Kölners Arndt Klocke. Die Grünen wurden damals bei der Landtagswahl für ihre rot-grüne Regierungsarbeit geradezu abgestraft. Kümmerliche 6,4 Prozent, nur noch 14 Abgeordnete im Düsseldorfer Parlament.
Am Montagmittag wird Düker jedoch mit Fragen in die Enge getrieben wie: Wann benennen die Grünen einen Ministerpräsidenten-Kandidaten? Könnten Sie in einer schwarz-grünen Landesregierung mit Armin Laschet leben? Würde eine grün-rot-rote Landesregierung funktionieren? Wie viele NRW-Großstädte wollen Sie bei der Kommunalwahl 2020 erobern?
Die Grünen sind im neuen „NRW-Trend“ des Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap mit 23 Prozent klar zweitstärkste Kraft hinter der CDU (32). Die einst so stolze SPD in ihrem „roten Stammland“? Abgehängt. Bei der Europawahl im vergangenen Sommer war es genauso. Düker nennt die Zahlen einen „Vertrauensvorschuss, dem wir gerecht werden müssen“. Was das heißt? Die NRW-Grünen sehen sich jedenfalls nicht als Juniorpartner-Reserve für Ministerpräsident Laschet, dessen schwarz-gelbe Koalition seit zweieinhalb Jahren in keiner Umfrage mehr auf eine Regierungsmehrheit gekommen ist.
„Ich halte Laschet nicht für einen schwarz-grünen Brückenbauer“
„Ich halte Laschet nicht für einen schwarz-grünen Brückenbauer“, sagt Düker am Montag selbstbewusst. Der Ministerpräsident hat nach Grünen-Lesart zwar seine persönlichen Popularitätswerte verbessert und die NRW-CDU gegen den Bundestrend recht stabil gehalten. Doch das angeblich nur, weil der Regierungschef „mehr präsidiert als regiert“, so Düker: „Herr Laschet kann gut Empfänge, Medaillen- und Ordensverleihungen.“ Die Zufriedenheit der Bürger in den Kernfeldern Schule und Verkehr indes sei schlecht. Und wenn zwei Drittel der Menschen mit der Umweltpolitik der Regierung Laschet unzufrieden seien, könne man nicht von einer schwarz-grünen Empfehlung sprechen.
Laschet habe nach den Massenprotesten am „Hambacher Forst“ einen rhetorischen Strategiewechsel, aber keinen Politikwechsel für Klima- und Umweltschutz vorgenommen. „Das grüne Mäntelchen passt nicht“, so die Grüne. Bei Riesenherausforderungen in NRW wie einem Altschuldenfonds für finanzschwache Kommunen, Dauerstau, dem fehlenden Sozialindex bei der Lehrerverteilung oder dem Wohnungsmangel liefere er nicht.
Für die Öko-Partei fällt die Abgrenzung zum Ministerpräsidenten zur Mitte der Legislaturperiode leicht. Sie haben die Führungsrolle im linksliberalen Lager, bei den Jungen und in den akademischen Großstadt-Milieus übernommen, die meist ohnehin nicht CDU wählen. Als Hauptherausforderung gilt, nicht mehr nur als „Spartenpartei“ für Umweltschutz wahrgenommen zu werden, erklärt Düker. Wer 23 Prozent und mehr Wähler in NRW anspricht, vielleicht sogar um die Führung einer Landesregierung konkurriert, muss eine breitere Angebotspalette bieten. „Wir sind Vollsortimenter“, sagt Düker.
Grüne haben SPD als industriepolitischer Treiber längst abgelöst
Tatsächlich war zuletzt in der Thyssen-Krupp-Krise oder der Debatte über das Kohleausstiegsgesetz nicht zu übersehen, dass die Grünen längst von der SPD die Rolle des industriepolitischen Treibers übernommen haben. Zudem hat sich ihre Basis verbreitert: Während die überalterten Volksparteien stetig Mitglieder verlieren, haben die NRW-Grünen seit der Landtagswahl 2017 ein sattes Drittel mehr Mitglieder hinzugewonnen. Sie bauen so Kompetenz auf, sind in mehr Unternehmen und Vereinen vertreten, wirken über das angestammte Milieu hinaus.
Der wichtigste Realitätscheck wird die Kommunalwahl im Herbst 2020. Sollte das Verfassungsgericht der schwarz-gelben Landesregierung Ende November bei der geplanten Abschaffung der Bürgermeister-Stichwahlen in den Arm fallen, hätten die Grünen in einigen Städten im zweiten Wahlgang realistische Siegchancen. Es wäre ein Turbo Richtung Landtagswahl 2022. Hätten die Grünen eine Kandidatin oder einen Kandidaten, der es mit Laschet aufnehmen könnte? „Das zu beantworten“, sagt Düker, „wäre das Blödeste, was wir jetzt machen könnten.“