Düsseldorf. Chaotische Hochzeitskorsos bereiten der Polizei große Probleme. Fachleute streiten, ob diese Feiern harmlos oder üble Machtdemonstrationen sind.
Mehr als 250-mal ist die Polizei in NRW seit April zu Einsätzen bei ausufernden Hochzeitsfeiern gerufen worden, in mehr als 100 Fällen handelte es sich um Hochzeitskorsos. Die Probleme mit chaotischen Hochzeitsfeiern beschäftigten am Donnerstag den Landtag.
Die AfD hatte eine Expertenanhörung zu den „Chaoshochzeiten“ beantragt. Sie fordert die Landesregierung auf, ein Handlungskonzept zu erarbeiten und repressiv gegen die Verursacher vorzugehen. Polizeigewerkschaften versichern aber, dass es dieses Konzept längst gebe,. Es wird genug getan“, sagte Jan Velleman von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) betont allerdings, das die „Begleiterscheinungen“ von Hochzeiten im Verkehrsraum wie Schüsse und Straßenblockaden „stark und stetig zugenommen haben“. Die Bevölkerung sei verunsichert.
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Der Leiter des Zentrums für Türkeistudien, Haci-Halil Uslucan, sieht in den Hochzeitskorsos, wie berichtet, keine bewusste Provokation. „Diejenigen, die dort ihrer Freude Luft verschaffen, tun dies nicht explizit mit der Absicht, anderen zu schaden, sondern primär, um intensiv diese Situation zu erleben“, schreibt der Professor in seiner Stellungnahme. In Autokorsos einen Territorialanspuch oder Machtdemonstration durch türkeistämmige Bürger zu sehen, sei eine „extrem überzogene Deutung“.
Nicht nur Türkeistämmige feiern auf diese Weise
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Ob Hochzeitskorsos vor allem Ausdruck von überschäumender Freude oder möglicherweise eine „Männlichkeitsinszenierung“ und bewusste Provokation durch Migranten aus der Türkei ist, lässt sich derzeit nicht klären, behauptet Thomas Jungbluth vom Landeskriminalamt. Er erinnert an die Aufsehen erregende Blockade der A3 am Kreuz Breitscheid. Sie sei kein Beleg dafür, dass primär Menschen mit türkischem Migrationshintergrund dieses Verhalten zeigten. Von den elf bisher ermittelten Tatverdächtigen besitze nur einer die türkische Staatsangehörigkeit. Die anderen seien Deutsch-Marokkaner, Marokkaner, Deutsch-Polen, Tunesier und Deutsche.
Jungbluth sagt aber auch, nur das „konsequente Einschreiten der Polizei“ sei hier geeignet, rücksichtslosem Verhalten zu begegnen. Dabei gelte es, „die Spirale einer Steigerung aufsehenerregender, rechtlich nicht zulässiger Aktionen im Keim zu ersticken“. Die türkische Community wisse, dass Straßenblockaden verboten sind. Solche Taten würden auch in der Türkei bestraft.
„Wer eine Autobahn sperrt, handelt kriminell“
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Der Kriminalwissenschaftler Daniel Zerbin betonte, dass Autokorsos bei türkischen Hochzeiten kein neues Phänomen seien. In der Vergangenheit sei dieses Verhalten toleriert worden. Auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft sei abweichendes Verhalten bei Hochzeiten bekannt und gelte als „Kavaliersdelikt“. Hochzeitskorsos mit Blockade einer Autobahn seien dennoch ein Alarmsignal. „Wenn ich eine Autobahn sperre, dann ist das fast kriminelle Energie“, sagte Zerbin. Das Verhalten dieser Feiernden gehe über bloße Freude hinaus.: „Es ist ein Problem, dass das besonders von jungen muslimischen Männern ausgeht.“ Zerbin findet, dass die Maßnahmen in NRW gegen Chaos-Hochzeiten nicht ausreichten.