Unna. Bürgermeister und Landesregierung ringen in Unna um den Ausstieg aus der Steinkohleverstromung. Es geht um Ersatz für Tausende Arbeitsplätze
Am Ende des „Kohlegipfels“ zum bevorstehenden Ausstieg aus der Steinkohleverstromung stand ein trotzig-zuversichtliches Statement: „Wir können Strukturwandel“, hieß es am Mittwoch in Unna. Dem Abschied von der Kohleförderung wird der Abschied von der Kohleverstromung folgen, das ist gewiss. Aber wann genau und zu welchen Konditionen, das weiß heute niemand.
15 Vertreter von Rat- und Kreishäusern trafen sich in Unna mit NRW-Wirtschafts-Staatssekretär Christoph Dammermann (FDP), um auszuloten, wie es im Revier weitergehen sollte, wenn die Steinkohlekraftwerke dort bis spätestens 2038 abgeschaltet werden und Tausende Beschäftigte ihre Jobs verlieren. Fast alle Fragen dazu sind noch unbeantwortet, am Mittwoch gab es in Unna sogar Irritationen darüber, mit wie viel Geld vom Bund das Ruhrgebiet überhaupt rechnen kann.
600 Millionen Euro sollen fließen -- wenn die Groko durchhält
Eine Milliarde Euro „Strukturhilfen“ sollen für die betroffenen Regionen insgesamt fließen. Christoph Dammermann stellte in Unna klar, dass damit Steinkohlekraftwerksregionen in ganz Deutschland gemeint seien. „600 Millionen Euro für die Standorte in NRW“ seien realistisch, sagte er. Oliver Wittke (CDU), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, bestätigte dies auf Nachfrage. Ein Teil der Milliarde dürfte ins Saarland, nach Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern fließen, so Wittke. Um diese Unterstützung einzufädeln, müsse die Große Koalition aus Union und SPD in Berlin aber noch ein paar Monate überleben.
„Viele Menschen meinen, es gehe beim ,Kohleausstieg' nur um Braunkohle“, sagte Dammermann nach dem Treffen. Die breite Berichterstattung über das Rheinische Revier, den Hambacher Forst, die Klimaschützer und die besorgten Kumpel dort hat diesen Eindruck erweckt. Aber die Empfehlungen der „Kohlekommission“ drehen sich generell um das Ende der Stromgewinnung aus Kohle, und damit ist auch das Ruhrgebiet direkt betroffen. In NRW gibt es noch 15 Standorte mit Steinkohlekraftwerken, die zum Beispiel von Steag, RWE und Uniper betrieben werden. 3400 Arbeitsplätze werden hier nach und nach wegfallen. Es geht um Duisburg, um Gelsenkirchen besonders aber um den Kreis Unna mit vier Steinkohlekraftwerken in Bergkamen, Lünen und Werne.
Das Rheinische Revier hat einen Plan, das Ruhrgebiet nicht
Auffällig ist: Während für das Rheinische Revier schon längst Listen mit Projekten und Ideen für neue Arbeitsplätze geschrieben wurden und die ganze Gegend den Status einer „Sonderwirtschaftsregion“ erhält, hat das Ruhrgebiet noch keinen Plan, wie es an den Steinkohlekraftwerkstandorten weitergehen soll. „Der Bund hat bei der Braunkohle Wert auf ein Sofortprogramm gelegt“, erklärte Christoph Dammermann. Ganz im Gegensatz zum Ruhrgebiet. Dort werde es wohl „weder heute noch in zwei Jahren“ einen festen Fahrplan für den Kohlestrom-Ausstieg geben, hieß es in Unna.
Weder Rasmus C. Beck, Chef der Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr, noch der Unnaer Wirtschaftsförderer Michael Dannebom wollten das als Vernachlässigung des Ruhrgebiets interpretieren. Beck bedankte sich freundlich beim Land NRW für das „starke Engagement“. Nun würden Ideen gesammelt, die man der Landesregierung im kommenden Jahr als „Handlungsempfehlungen“ aushändigen möchte. Das können neue Hochschul-Standorte sein, Ideen für Gewerbegebiete, mehr Mobilität für die Region.
Auktion für die Stilllegung von Kraftwerken
Prognosen, welches Steinkohlekraftwerk zuerst stillgelegt wird, sind unmöglich. Die Bundesregierung plant eine Art Auktion: Die Energiekonzerne bieten eine bestimmte Gigawatt-Zahl zur Stilllegung an und sagen, wie viel Entschädigung sie dafür verlangen. Wer das günstigste Angebot macht, der soll den Zuschlag bekommen.
Und so weiß im Moment keiner, wann und wo und wie der Ausstieg aus der Steinkohleverstromung geschieht. Es bleibt die Hoffnung, dass es schon irgendwie klappen wird. „Wir haben schon einmal einen Strukturwandel erfolgreich bestritten, nun stehen wir erneut vor der Herausforderung“, sagte Unnas Kreisdirektor Mike-Sebastian Janke. Auf die Schmerzen, die der letzte Strukturwandel bereitete, wurde nicht mehr groß eingegangen.