Essen. . Im Gegensatz zum Rheinischen Braunkohlerevier sind für die Steinkohle-Standorte Entschädigungen ungewiss. Uniper hat bessere Karten als Steag.
Die gigantischen Tagebaue, der Hambacher Forst und die großen, besonders klimaschädlichen Braunkohleblöcke standen stets im Vordergrund, als in Berlin über den Kohleausstieg verhandelt wurde. Nach der Einigung wird nun klar, dass auch das Ruhrgebiet mit seinen vergleichsweise vielen Steinkohlekraftwerken vom Auslaufen der Kohleverstromung bis 2038 stark betroffen sein wird. Das Revier kämpft um Strukturhilfen, seine Stromkonzerne ringen um Entschädigungen für ihre Kohleblöcke und den Erhalt der Fernwärmenetze.
Letztere werden auch aus der Wärme von Kohlekraftwerken gespeist, so ist etwa das Steag-Kraftwerk in Herne zentrale Quelle für die Fernwärmeschiene Ruhr, die Zehntausende Wohnungen in Essen, Bottrop, Gelsenkirchen und Herten heizt. Das Steag-Kraftwerk in Duisburg-Walsum soll die geplante Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr speisen, um deren Realisierung seit Jahren gerungen wird. Sie soll das Steag-Fernwärmenetz zum größten Europas ausbauen, steckt aber seit geraumer Zeit in der Planungsphase fest.
Die Kohlekommission der Bundesregierung betont in ihrem Abschlussbericht den Zwiespalt, dass vergleichsweise klimaschädliche Kohlekraftwerke bei einer Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig einen Beitrag zur Einsparung von Kohlendioxid (CO2) leisten. Sie fordert von der Bundesregierung, beim Kohleausstieg „die sichere Wärmeversorgung (Fern- und Prozesswärme)“ müsse „gewährleistet“ bleiben.
Kohlekraftwerke speisen auch Fernwärmenetze
Das kann bedeuten, dass Kohlekraftwerke, die Fernwärme abgeben, länger laufen dürfen – oder aber auf Gas umgerüstet bzw. durch neue Gaskraftwerke ersetzt werden. Dafür solle bis 2026 die Förderung „attraktiver“ werden. Um CO2-neutral zu werden, soll langfristig das Erdgas durch grüne Gase ersetzt werden.
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) betonte auf Anfrage: „Fernwärme hat im dicht besiedelten Industrieland Nordrhein-Westfalen eine hohe Bedeutung.“ Er versprach, den Erhalt der Fernwärmenetze im Zuge des Kohleausstiegs einzufordern.
Die Betreiber bleiben zunächst im Ungewissen, wie sie ihre Fernwärmenetze künftig speisen sollen. Grundsätzlich stellt sich für die Steinkohlekraftwerke die große Frage, was ihre Besitzer für die Abschaltung an Entschädigungen erwarten können. Es sollen „freiwillige Stilllegungsprämien“ ausgeschrieben werden, die umso niedriger ausfallen, je unrentabler die Steinkohleblöcke werden.
Während für die noch relativ rentablen Braunkohlekraftwerke von RWE Entschädigungen von rund 600 Millionen Euro je Gigawatt im Raum stehen, wird dies bei den Steinkohlekraftwerken deutlich komplizierter und differenzierter. Die beste Verhandlungsposition hat Uniper für sein noch immer in Bau befindliches Großkraftwerk Datteln 4. Es sollte eigentlich 2020 ans Netz gehen, die Kommission hat sich dagegen ausgesprochen. Für eine hohe Entschädigung hat Uniper starke Argumente. Erstens hätte Datteln IV noch Jahrzehnte laufen können – bei im Vergleich zu älteren Kohleblöcken niedrigeren CO2-Emmissionen. Zweitens sollte Datteln rentableren Bahnstrom mit einer Frequenz von 16,7 statt 50 Hertz erzeugen. Drittens haben sowohl die Deutsche Bahn als auch der Dax-Konzern RWE reges Interesse daran, Datteln nie ans Netz zu lassen. Beide könnten so aus Abnahmeverträgen mit vereinbarten hohen Strompreisen heraus kommen. Es dürfte demnach viele Fürsprecher für eine üppige Abfindung geben.
Die Steag hingegen hat für ihre vergleichsweise alten Steinkohleblöcke aus den 80er-Jahren schlechtere Karten. Ausnahme ist der 2012 in Betrieb genommene Block 10 im Kraftwerk Walsum. Für das Kraftwerk, zu dem noch Block 9 von 1988 gehört, spräche zudem der Plan, mit ihm das Fernwärmenetz Rhein-Ruhr zu speisen. Das gilt auch für das Kraftwerk in Herne. Dort will die Steag freilich auch ein Gas- und Dampfkraftwerk von Siemens bauen lassen, das Fernwärme liefern soll. Die Kraftwerke Weiher und Bexbach im Saarland hat die Steag zur vorläufigen Stilllegung angemeldet, sie wurden von der Netzagentur aber als systemrelevant eingestuft und in die Reserve gepackt. Bliebe es bei der Einschätzung, wären auch für sie Zahlungen für die Vorhaltung möglich.
Gerade erst zwei Kohlekraftwerke stillgelegt
Gerade erst stillgelegt hat die Steag ihr Kohlekraftwerk in Lünen, das auch Bahnstrom erzeugt hat. Für Entschädigungs-Forderungen dürfte es nun zu spät sein, allerdings war es ohnehin unrentabel. Dagegen hatte sich Steag lange gegen die Abschaltung seines Großkraftwerks in Voerde gewehrt, die der Partner RWE forciert und 2017 durchgesetzt hat. Auch das ist auf der Zeitachse aus Steag-Sicht eher unglücklich gelaufen.
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Die betroffenen Ruhrgebietsstädte wie Gelsenkirchen und Herne fordern zudem Strukturhilfen, wie es sie auch für die Braunkohlereviere gibt. Immerhin seien in den Revier-Kraftwerken gut 3000 Menschen beschäftigt. Die Kommission lässt Hilfen auch für Steinkohlekraftswerks-Standorte grundsätzlich zu, aber nur, wenn sie für die regionale Wertschöpfung von erheblicher Relevanz sind. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart erklärte dazu, er habe sich „in Abstimmung mit Akteuren aus dem Ruhrgebiet dafür eingesetzt, dass auch für die Standorte von Steinkohlekraftwerken die erforderlichen Strukturhilfen berücksichtigt werden.“