Düsseldorf. . Sie heucheln Liebe und nutzen das Vertrauen von Mädchen aus. „Loverboys“ waren Thema im Landtag. Die Zahl ihrer Opfer ist höher als gedacht.
Experten haben im Landtag mehr Aufklärungsarbeit in Schulen über die so genannte „Loverboy-Methode“ und besseren Schutz für die Opfer gefordert. Die Fallzahlen liegen offenbar deutlich über denen, die das Landeskriminalamt (LKA) im Lagebild für Menschenhandel beschreibt.
Was ist die „Loverboy-Methode“?
Loverboys sind Zuhälter, die Mädchen und Frauen eine Liebesbeziehung vorspielen, ihnen teure Geschenke machen und ihr Vertrauen erschleichen, um sie später zur Prostitution zu zwingen. „Es kann jede junge Frau treffen“, sagte LKA-Kriminaldirektor Wolfgang Hermanns im Ausschuss. Bei den Tätern handele es sich oftmals um Männer Anfang 20 mit Bezug zum Rotlichtmilieu. „Wenn die betroffenen den Mut aufbringen und versuchen, Kontakt zu einem Hilfesystem aufzunehmen, wird ihnen bei Entdeckung durch den Loverboy häufig massive körperliche und sexualisierte Gewalt angetan und/oder sie werden massiv bedroht“, erklärt Sylvia Krenzel von Mädchenhaus Bielefeld, in einer Stellungnahme an den Gleichstellungsausschuss.
Sind nur Mädchen und junge Frauen in Gefahr?
Auch interessant
Nein. Laut Kriminaldirektor Hermanns suchten auch Zuhälter fortgeschrittenen Alters die Nähe von älteren Frauen, „die noch einmal die große Liebe ihres Lebens suchen.“ Sandra Norak, die selbst Opfer eines Loverboys war und sechs Jahre in der Prostitution arbeitete, bestätigte vor dem Gleichstellungsausschuss des Landtags, dass falsche Liebhaber sich häufig älteren Frauen aus Osteuropa näherten, die Halt bei einem Mann aus Deutschland suchten. „Die Polizei hat zu wenig Ressourcen, zu wenig Spezialisten, zu wenig Zeit, um sich um die Gefahren von Loverboys zu kümmern“, warnte Norak.
Wie viele Mädchen werden in NRW Opfer von Loverboys?
Bisher gingen die Behörden davon aus, dass es nur sehr wenige Fälle sind. Laut den Lagebildern zu Menschenhandel des Landeskriminalamtes wurden in NRW in den Jahren 2016 und 2017 je zwei und 2018 drei Fälle von Menschenhandel mit der „Loverboy“-Methode. Ein etwas anderes Bild ergibt sich aus den Daten des Bundeskriminalamtes. Das BKA zählte im Jahr 2917 insgesamt 489 Opfer von Menschenhandel. bei etwa einem Viertel dieser Opfer sei die „Loverboy-Methode“ angewendet worden.
NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) überraschte den Landtag jetzt mit neuen Daten aus Nordrhein-Westfalen. Demnach wurden im vergangenen Jahr allein in der Landes-Fachstelle für die Opfer von Frauenhandel in Düsseldorf 28 betroffene Mädchen und Frauen beraten. In der Dortmunder „Mitternachtsmission“ wurden in diesem Jahr bisher 13 Opfer der „Loverboy-Methode“ betreut und damit doppelt so viele wie im Vorjahr. Die Dunkelziffer liegt nach Einschätzung vieler Sachverständiger sehr weit über diesen bekannten Zahlen.
Warum werden so wenige Fälle bekannt?
„Die Mädchen kommen fast nie aus eigenem Antrieb in die Beratungsstellen, sondern weil ein Unterstützer ihnen das rät“, erklärte Sylvia Krenzel vom Verein Mädchenhaus Bielefeld. Meist bemerkten die Bezugspersonen der Mädchen die Gefahr aber gar nicht. Folge: Es werden den Beratungsstellen und den Behörden nur wenige Fälle genannt.
Woher kommen Täter und Opfer?
Betroffen sind sowohl deutsche als auch ausländische Mädchen und Frauen. Von den 28 Frauen und Minderjährigen, die sich in der Fachstelle in Düsseldorf beraten ließen, besaßen 15 die deutsche Staatsangehörigkeit. Über die Nationalitäten der Täter kann nur spekuliert werden. Laut LKA haben etwa 80 Prozent der bekannten Täter, die allgemein in NRW in den Menschenhandel involviert sind, die rumänische, bulgarische oder nigerianische Staatsbürgerschaft.
Was kann man gegen „Loverboys“ unternehmen?
„Wir brauchen viel mehr Prävention. Schulen kennen die Probleme mit Loverboys oft gar nicht“, sagte ein Vertreter der Elterninitiative für Loverboy-Opfer, der anonym bleiben möchte, im Landtag. Eigentlich müssten an allen Schulen Mädchen auf die Gefahren durch Loverboys hingewiesen werden, „verpflichtend“, findet die angehende Juristin Sandra Norak, die vor den Politikern offen über ihre Erfahrungen als Opfer eines Loverboys redete. Norak hat hat sich, schon als Schülerin, in Bordellen in Süddeutschland prostituiert, weil sie sich von einem Mann ausnutzen ließ, der ihr Vertrauen missbrauchte.
Das NRW-Gleichstellungsministerium hat ein viel beachtetes Erklärvideo zu „Loverboy-Methode“ ins Netz gestellt. Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach sagte bei der Vorstellung: „Unter Jugendlichen ist die ,Loverboy’-Methode immer noch zu wenig bekannt.“Das Mädchenhaus Bielefeld begrüßt diese Aufklärungs-Initiative ausdrücklich. Sandra Norak kritisiert das Video hingegen scharf. Es sei realitätsfern und verharmlose die Prostitution.
Wie schaffen es die Betrüger, Mädchen zu Prostituierten zu machen?
In einer Vorlage für den Gleichstellungsausschuss beschreibt Sandra Norak die perfiden Methoden der Betrüger: „Oft wird vom Loverboy, nachdem er sein Opfer in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis gebracht hat, eine existenzbedrohende Schuldenlage vorgegeben, aus der das Opfer ihn durch die Aufnahme der Prostitution befreien soll.“ Auch in ihrem Fall sei das so gewesen. Die junge Frau zitiert aus so genannten „Freierforen“, um einen Eindruck zu vermitteln, wie schamlos manche Männer Frauen zu „Objekten sexueller Benutzung“ degradieren.
Norak nutzt gern die Gelegenheit, die die Loverboy-Diskussion ihr bietet, um mit Deutschlands liberaler Prostitutionsgesetzgebung abzurechnen. „Die Liberalisierung der Prostitution war der komplett falsche Schritt“, sagt sie. Die wenigsten Prostituierten meldeten ihre Arbeit regulär an. Ein Staat aber der selbst von „Sexarbeit“ spreche, suggeriere, dass Prostitution eine normale Arbeit sei. Damit trage der Staat auch eine Mitverantwortung für die Auswüchse des Menschenhandels. Schwer traumatisiert seien viele Opfer von Zuhältern. „Viele beschreiben die Erfahrung in der Prostitution als wären sie dort gestorben“, erklärt Norak. Den Landespolitikern sagt sie: „Sie haben es in der Hand, junge Menschen vor nie mehr gut zu machenden Erfahrungen in der Prostitution zu warnen, und ich bitte Sie inständig, das auch zu tun.“