Düsseldorf. Durfte die FDP-Schulministerin ohne Ausschreibung ein Digital-Projekt an eine FDP-nahe Unternehmerin vergeben? Es gibt neue rechtliche Zweifel.

Die Auftragsvergabe des Schulministeriums ohne Ausschreibung an eine FDP-nahe Unternehmerin und Großspenderin war nach Einschätzung der SPD-Opposition rechtswidrig. Die Sozialdemokraten stützen sich auf eine neue sechsseitige Expertise der Koblenzer Kanzlei „Klinge Hess“, die einen klaren Verstoß gegen die Vergaberegeln der öffentlichen Hand sieht. „Die bloße Behauptung“, mit der fraglichen Lieferung habe nur ein bestimmter Lieferant beauftragt werden können, reiche europarechtlich nicht aus, so die Juristen.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte im vergangenen Jahr einen Auftrag für eine „Mobile Digitalwerkstatt“ vergeben. Ein Labor-Truck soll Grundschulen in allen 53 Schulamtsbezirken anrollen. Der Auftrag ging ohne Ausschreibung an die Haba Digital GmbH. Geschäftsführerin der Firma ist Verena Pausder, die dem Wirtschaftsforum der FDP angehört. Laut Bundestagsdrucksache 18/13502 hat Pausder der FDP am 10. August 2017 eine Spende über 50.100 Euro überwiesen.

Gebauer hatte zunächst gegenüber dem Schulausschuss des Landtags argumentiert, das Auftragsvolumen von zunächst 600.000 Euro habe keine EU-weite Ausschreibungspflicht ausgelöst. „Lediglich bei einer Verlängerung des Leistungsabrufs über ein Jahr hinaus käme es zu einer Überschreitung des vergaberechtlichen Schwellenwertes. In diesem Fall wäre bei einem bestehenden Wettbewerbsmarkt eine Ausschreibung erforderlich“, hieß es im März in einer Vorlage des Ministeriums.

Ex-Ministerpräsidentin Kraft stellte im Landtag eine Frage, die viele in dem Fall umtreibt

Aus einem jüngst öffentlich gewordenen internen Vermerk des Schulministeriums aus Oktober 2018 ging eine andere Sichtweise hervor. Mit Hilfe einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei stellten Gebauers Beamte dort fest, dass der Schwellenwert von 750.000 Euro für eine EU-weite Ausschreibungspflicht bei der „Mobilen Digitalwerkstatt“ von vorn herein vergaberechtlich als „erreicht bzw. überschritten“ betrachtet werden müsse.

Gebauer betonte am Mittwoch in einer Fragestunde des Landtags, der Schwellenwert sei gar „nicht zum Tragen“ gekommen, weil es außer Haba Digital europaweit keinen einzigen alternativen Anbieter gegeben habe. Dies soll eine gründliche „Markterkundung“ ergeben haben, die das Ministerium aber offenbar nicht nachvollziehbar dokumentiert hat. Das Schulministerium zieht sich darauf zurück, dass man die vollzogene Vergabe an Haba später monatelang im NRW-Vergabeportal veröffentlicht habe, ohne eine Meldung von möglichen Konkurrenz-Unternehmen erhalten zu haben. Die frühere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) richtete im Landtag eine simple Frage an Gebauer, die sich in dem Fall offenbar viele Kritiker stellen: „Warum haben Sie die Absicht der Vergabe nicht vorher auf der Vergabe-Plattform öffentlich gemacht?“