Düsseldorf. Großes Bürger-Interesse an einer Expertenanhörung im Landtag. Experten warnen vor „sozialem Sprengstoff“ durch Straßenbaubeiträge.

Gut gefüllt war am Freitag die Besuchertribüne im Landtag, dabei war unten im Rund gar keine Plenarsitzung zu sehen, sondern „nur“ eine Expertenanhörung. Das Thema, das die Fachleute umtrieb, hatte es allerdings in sich: Es ging um die von der SPD geforderte Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in NRW. Rund eine halbe Million Unterschriften hat die vom Bund der Steuerzahler organisierte Volksinitiative gegen die umstrittenen Beiträge schon gesammelt. Aber die großen Verbände der Kommunen lassen sich von diesem Protest bisher ebenso wenig beeindrucken wie die Landtagsfraktionen von CDU und FDP.

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Hilmar von Lojewski vom Städtetag NRW erklärte dem Bauausschuss und den Besuchern auf der Tribüne, warum viele Kommunen sich so fest an das System der Straßenbaubeiträge klammern: Sie haben Angst, dass ihnen das Land nicht annähernd das Geld ersetzen würde, das ihnen nach einem Wegfall der Beiträge fehlte. Laut dem Gesetzentwurf der SPD entstünden dem Land Kosten von rund 120 Millionen Euro im Jahr. Von Lojewski rechnet hingegen mit mindestens 250 Millionen Euro. Gerd Thielmann vom Städte- und Gemeindebund Rheinland-Pfalz kalkuliert sogar allen Ernstes den Beitragsausfall für NRW mit einer Milliarde Euro. „Ich bezweifele, dass das Land NRW imstande sein wird, den Städten das Geld für den Straßenausbau zu geben, das sie benötigen“, sagte Thielmann. Härtefälle, in denen Anwohner mehrere zehntausend Euro bezahlen müssen, sind nach Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände eher selten.

„Der soziale Friede ist gefährdet“

Das allerdings bezweifeln andere Experten. Henning Gronau (SPD), Bürgermeister der Gemeinde Erndtebrück, sprach von „sozialem Sprengstoff“ durch Straßenausbaubeiträge. „Der soziale Friede ist gefährdet, wenn von den Städten existenzbedrohende Beiträge kassiert werden“, sagte Gronau. Bis zu 30.000 Euro müssten Betroffene zahlen, inzwischen hingen an jeder Straße in seiner Stadt Protestplakate. Etwa 50 Bürger aus Erndtebrück waren mit dem Bus zum Landtag gefahren, um die Anhörung zu verfolgen. Protestieren durften sie nicht, die Hausordnung lässt keine Meinungsäußerungen zu. Diesen Part übernahm aber in der Runde der Experten Lydia Schumacher von einer Bürgerinitiative aus Schleiden-Gemünd.

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Straßenbaubeiträge trieben Anlieger regelrecht auf die Barrikaden. „Sie sind rücksichtslos, ungerecht und bedrohen Existenzen“, meinte Schumacher. Sie erzählte von älteren Damen in ihrer Nachbarschaft, deren Witwenrente nicht reichte, um die Straßenbaurechnung zu bezahlen, von alleinerziehenden Müttern mit Schulden, von einem „der den Vogel abgeschossen hat“, weil er gleich an zwei Straßen wohnt und doppelt zur Kasse gebeten werde. „Es gibt kein Entkommen, wir fühlen und überrannt, wenn die Bagger kommen. Das kommt einer Enteignung gleich“, wetterte die Bürgerin.

Im Zweifel zu Lasten der Erben

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Ulrich Francken (CDU), Bürgermeister von Weeze, rät von der Abschaffung der Straßenbaubeiträge ab. „Gerecht und sinnvoll“ sei es, die Last auf die Anlieger zu verteilen. „Wer soll den Ausbau der Straße bezahlen? Der Steuerzahler, der diese Straße vielleicht nie betreten wird“, fragte Francken. Solange es keine Aussicht auf eine gerechte Kompensation der Kosten durch das Land gebe, sollten die Beiträge weiter kassiert werden. Francken: „Wir finden immer Lösungen. Im Zweifel zu Lasten der Erben.“

Mit dem Straßenbaubeitrag werden Grundstückseigentümer an den Baukosten in ihrer jeweiligen Straße beteiligt. Je nach Kommune fallen die Kosten unterschiedlich hoch aus. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hält bislang an den Gebühren fest, hat aber angekündigt, besondere Härten kappen zu wollen.