Düsseldorf. Noch nie war eine Volksinitiative in NRW so erfolgreich: Zur Halbzeit schon 440.000 Unterschriften gegen Straßenbaubeiträge.
Die Volksinitiative gegen Straßenbaubeiträge in NRW hat nach der Hälfte der einjährigen Frist schon rund 440.000 Unterschriften gesammelt. 66.000 Unterzeichner wären nötig, damit sich der Landtag mit diesem Thema beschäftigt. „Noch nie haben bei einer Volksinitiative in NRW so viele Bürger unterschrieben“, freute sich am Freitag Heinz Wirz, der NRW-Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler, der mit seinem Verband seit Ende Oktober 2018 zum Großangriff auf die Beiträge bläst.
Die Landesregierung will dennoch daran festhalten, plant aber jetzt ein Beitrags-Modell, das soziale Ungerechtigkeiten ausschließt und gedeckelt ist, damit Anwohner nicht mehr mit extrem hohen Rechnungen konfrontiert werden.
Ziel „Die Bayern schlagen“ schon erreicht
Heinz Wirz, NRW-Chef des Bund der Steuerzahler (BdSt), hatte im Herbst zum Start seiner Volksinitiative gegen die Straßenbaubeiträge ein stolzes Ziel: „Die Bayern schlagen!“ In Süddeutschland mobilisierte eine vergleichbare Initiative im vergangenen Jahr 340.000 Unterstützer. Der bayerische Landtag ließ sich davon beeindrucken und schaffte die Beiträge noch vor dem Ende der Initiative rückwirkend zum 1. Januar 2018 ab.
In NRW stapeln sich im Flur des Steuerzahlerbundes in Düsseldorf schon 440.000 Unterschriften, in diesem Sinne sind die Bayern also längst geschlagen. „Bald wird es ein halbe Million sein“, sagte Verbands-Sprecherin Bärbel Hildebrand voraus. Und was macht die NRW-Landesregierung? Sie sperrt sich noch gegen die Abschaffung und will das System bisher nur im Detail verändern und soziale Härten abfedern. Heinz Wirz gibt sich aber wegen der erfolgreichen Kampagne kompromisslos: „Wir wollen das Ende der Straßenbaubeiträge in NRW.“
Studenten helfen beim Sortieren
Johannes Kasperek aus Mülheim hat alle Hände voll zu tun in der Düsseldorfer Zentrale des Steuerzahlerbundes. Er und fünf weitere „Werkstudenten“ sortieren und kopieren seit Wochen Unterschriftenlisten, die in Hunderten Päckchen und Umschlägen auf dem Flur, auf Tischen und in Regalen liegen. Der dickste Posten – sechs Kartons – kommt aus Dortmund. Das nördliche Ruhrgebiet ist mit stattlichen Paketen aus Bottrop, Oer-Erkenschwick oder Gladbeck gut vertreten.
„Heldengeschichten“ werden zwischen den Päckchen erzählt. So soll in Freudenberg eine Aktivistin alleine weit über 1000 Unterschriften gesammelt haben. Dass ausgerechnet Dortmund der Spitzenreiter ist, liegt wohl daran, dass hier die Zentrale des Eigentümerverbandes Haus und Grund ist. Der unterstützt nämlich den Steuerzahlerbund bei dieser Initiative ebenso wie diverse Siedlungsgenossenschaften, Bürgerinitiativen und – zum Leid von Union und Liberalen im Landtag – viele lokale Politiker von CDU und FDP.
Das Ende der aktiven Unterschriftensammlung
Die Initiative läuft so gut, dass der Steuerzahlerbund das „Ende der aktiven Unterschriftensammlung“ eingeläutet hat. Er schickt seine Aktiven nicht mehr von Tür zu Tür oder in Fußgängerzonen. Unterschriften werden aber weiter entgegen genommen. In der kommenden Woche steuert der Verband bei einer „Sternfahrt“ 27 Rathäuser in NRW an, um dort Listen zur Prüfung zu überreichen, unter anderem in Essen, Bochum, Dortmund, Lünen und Kamen.
Um per Volksinitiative eine Parlamentsdebatte zu erzwingen, sind die Unterschriften von 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten erforderlich. Das sind etwa 66.000. Der BdSt hat demnach schon mehr als das Sechsfache an Unterschriften gesammelt. Damit zeichnet sich ab, dass der Landtag sich erneut mit dem symbolträchtigen Thema befassen muss.
NRW prüft Entschärfung der Regeln
Ende November hatte sich das NRW-Parlament mit schwarz-gelber Regierungsmehrheit zwar bereits für eine Reform der Abgabe, aber gegen deren Abschaffung ausgesprochen. Die Landesregierung will bis zu diesem Frühjahr prüfen, ob Härtefallregelungen und Ratenzahlungen in Betracht kommen. Der Steuerzahlerbund hält das für eine „reinen Beruhigungspille für die Bürger“. Er fordert die völlig Abschaffung der Gebühr und eine Erstattung der kommunalen Kosten durch das Land. Auch die SPD-Landtagsopposition spricht sich für die Abschaffung aus.
NRW ist eines der wenigen Bundesländer, die den Kommunen erlauben, Grundstückseigentümer an den Kosten für Straßensanierungen zu beteiligen. Nicht selten kommen auf die Anlieger dabei fünfstellige Beträge zu, die in der Regel in einer Summe und ohne Aufschub entrichtet werden müssen. Zudem sind die Bescheide für die Betroffenen oft nicht durchschaubar.
>>> Länder verabschieden sich von den Beiträgen
Keine Straßenbaubeiträge erheben Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg. In Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ist die Abschaffung bereits besiegelt.