Düsseldorf. 460.000 Unterschriften und 60 Resolutionen in NRW-Städten: Der Protest gegen die Straßenbaubeiträge ist vor der Landtagsanhörung gewaltig.
. Die schwarz-gelbe Landesregierung gerät bei den umstrittenen Anlieger-Gebühren für Straßenausbau-Maßnahmen immer stärker unter Druck. Inzwischen fordern auch zahlreiche Kommunalpolitiker mit CDU-Parteibuch die Abschaffung der Beiträge. Neben der historisch erfolgreichen Volksinitiative des Steuerzahler-Bundes, die 460.000 Bürger unterschrieben haben, gibt es nach Angaben der SPD-Landtagsfraktion inzwischen in landesweit rund 60 Stadt- und Gemeindeparlamenten entsprechende Resolutionen. In 21 Kommunen seien CDU-Bürgermeister im Amt, vielerorts zeichneten sogar CDU und FDP für die Resolutionen verantwortlich.
„Es gibt einen Bürgerprotest, den ich in dieser Form noch nicht erlebt habe“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm am Dienstag. Die schwarz-gelbe Landesregierung dürfe „die Realität im Land nicht länger verkennen“. Seit Monaten rollt in NRW eine Protestwelle gegen das sogenannte Kommunalabgabengesetz. Darin ist geregelt, dass Stadtverwaltungen Kosten für bestimmte Erneuerungsarbeiten im Straßennetz auf Anwohner umlegen müssen. Die Gebühren werden nach Größe und Lage des Grundstücks berechnet.
Beitragsbescheide in fünfstelliger Höhe keine Seltenheit
Beitragsbescheide in fünfstelliger Höhe seien keine Seltenheit, heißt es. Die SPD berichtet vom Fall eines Hartz IV-Empfängers aus Bad Laasphe, der 5000 Euro für den Straßenbau zahlen soll. Oder von einem Rentner aus Mönchengladbach, dem gar ein Bescheid über 90.000 Euro ins Haus flatterte. Die Sozialdemokraten fordern deshalb die Abschaffung der Straßenausbaugebühren und eine entsprechende Erstattung für die Kommunen durch den Landeshaushalt.
Zuletzt wurden den Bürgern landesweit rund 130 Millionen Euro an Straßenausbaugebühren in Rechnung gestellt. Das derzeitige Kommunalabgabengesetz sei „unsozial und antiquiert“, sagte SPD-Fraktionsvize Dahm. Nur noch in NRW, Bremen und Sachsen-Anhalt würden die Städte verpflichtet, Anliegern Gebühren in Rechnung zu stellen. In den großen Flächenländern wie Bayern und Baden-Württemberg würden dagegen keinerlei Kosten für die öffentliche Infrastruktur den Grundstückeigentümern aufgebrummt.
Die SPD-Opposition hat einen Gesetzentwurf zur vollständigen Abschaffung der Straßenausbau-Beiträge in den Landtag eingebracht. Am Freitag (7. Juni, 13.30 Uhr) findet dazu eine öffentliche Expertenanhörung im Landtag statt. Es wird mit Hunderten von Besuchern gerechnet. Allein die SPD hat 180 Vertreter von Initiativen und Betroffenengruppen nach Düsseldorf eingeladen.
Wegen der Mehrheitsverhältnisse im Parlament wird sich jedoch eine Mehrheit der geladenen Sachverständigen für die Beibehaltung der Anliegerbeiträge aussprechen. Nicht einmal der Steuerzahler-Bund als Initiator der Volksinitiative kommt zu Wort. Über ein „völlig verzerrtes Bild“ beschwert sich deshalb SPD-Kommunalexperte Stefan Kämmerling. Der Wunsch der Sozialdemokraten, mehr Kritiker einzuladen, sei niedergestimmt worden.
CDU und FDP im Land wollen lediglich Härtefälle abfedern
CDU und FDP hatten bis Ostern eine „Evaluation“ des Kommunalabgabengesetzes angekündigt, bis jetzt wurde aber noch nicht geliefert. Bislang ist lediglich die Bereitschaft erkennbar, Härtefälle abzufedern. Für eine Komplettabschaffung der Anlieger-Gebühren scheint dem Land inzwischen das Geld zu fehlen. Die Steuerschätzung sagt bis 2020 ein Steuerloch von 1,7 Milliarden Euro voraus.
Die SPD hält das für vorgeschoben. Der bisherige Aufwand der Kommunen, Anlieger-Beiträge zu berechnen, sei unvertretbar hoch. Bei der Stadt Essen etwa seien allein zehn Mitarbeiter damit beschäftigt, Gebührenbescheide für den Straßenausbau zu schreiben. So stünden unter dem Strich Personal- und Sachkosten von 884.000 Euro überschaubaren Einnahmen von 1,1 bis 2 Millionen Euro gegenüber. Auf keinen Fall wollen die Sozialdemokraten, dass das Land den Kommunen die Erhebung von Anliegerbeiträgen künftig freistellt. Man brauche eine Befreiung für alle. Sonst müssten vor allem die klammen Ruhrgebietsstädte bei ihren Grundstücksbesitzern zulangen.