Essen/Düsseldorf. . Sie machen Überstunden, müssen Angebote reduzieren , beklagen fehlende Wertschätzung: Kita-Leitungen klagen in einer VBE-Studie über Personalnot.

Der Fachkräftemangel belastet die Kitas immer massiver. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Kita-Leitungen hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) am Mittwochvormittag in Düsseldorf vorstellt und die vorab dieser Redaktion vorlag.

Danach ist die Personalsituation in deutschen Kitas dramatisch. 90 Prozent aller Leitungen mussten in den vergangenen zwölf Monaten zumindest zeitweise mit einer Unterbesetzung arbeiten, weil etwa Erzieher erkrankten und Vertretungen fehlten. Mehr als jede zweite große Kita klagt laut Umfrage zudem über offene Stellen.

Kitas müssen Angebote aus Personalnot reduzieren

Die mangelnde Personalausstattung habe konkrete Konsequenzen: In zahlreichen Kitas würden Angebote und Öffnungszeiten regelmäßig reduziert. Das gaben 86 Prozent der vom Personalmangel betroffenen Kitas an. Weil Erzieher fehlen, können Förderangebote oder eine intensive Betreuung in Kleinstgruppen nicht aufrechterhalten werden. In der Wissenschaft immer wieder bestätigte Mindeststandards - eine Fachkraft je drei Kinder unter drei Jahren bzw. zwei Erzieherinnen je 15 Kinder über drei Jahren - könnten deshalb in 95 Prozent der befragten Kitas nicht eingehalten werden.

Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE): Udo Beckmann.
Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE): Udo Beckmann. © Ralf Rottmann

Udo Beckmann, Vorsitzender des VBE, unterstellte der Politik Versäumnisse und Untätigkeit. Sie nehme einen erheblichen Schaden der Kinder, der im Kita-Bereich engagierten Personen und der Gesellschaft in Kauf. „So werden aus Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, die einmal weltweit unter dem Begriff ‚Kindergarten‘ als Vorbild fungiert haben, zunehmend bessere Verwahranstalten, die ihrem Bildungsauftrag trotz aller Anstrengungen nicht gerecht werden können“, sagte Beckmann.

Die Unterbesetzung führe in der praktischen Arbeit zu Überstunden, Aufsichtsproblemen, einem hohem Stresslevel und sogar psychischen und physischen Belastungserkrankungen. Nötig sei, dass die Länder den Kitas mehr Gelder zur Verfügung stellen, um die Personalnot zu lindern, so der VBE.

Kitas suchen drei Monate und länger nach Erziehern

Mit Geld allein ist die Not aber nicht aufzufangen: Fachkräfte zu finden, wird immer schwieriger. Sieben von zehn Kitas benötigten laut Umfrage im Schnitt mehr als drei Monate, 30 Prozent sogar mindestens fünf Monate, um eine offen Stelle zu besetzen. Das geringe Lohnniveau, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und lange Ausbildungszeiten machten den Beruf unattraktiv. Politik habe Kita-Leitungen in eine permanente Mangelverwaltung gebracht, urteilt der VBE.

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Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte zwar zuletzt eine Fachkräfteoffensive für Erzieher angekündigt und sicherte der Kinderbetreuung bis 2022 rund 5,5 Milliarden Euro aus dem 2019 in Kraft getretenen Gute-Kita-Gesetz zu. Kurzfristige Entlastung werde das aus Sicht der Experten aber nicht bringen. Vielmehr sei zu erwarten, heißt es in der Studie, dass die Länder die Gelder zur Entlastung der Eltern und damit nicht nur zugunsten der Betreuung einsetzten. NRW etwa nutzt die Gelder auch, um ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr einzuführen.

VBE-Chef Beckmann sagte, damit werde kein Erzieher auch nur ein Kleinkind weniger betreuen. „Was wir brauchen, sind nachhaltige Lösungen und deutlich höhere, langfristige Investitionen.“ In der Studie plädieren Kita-Leitungen für ein Lohnplus und eine geringere Arbeitsdichte als Lösung gegen den Fachkräftemangel.

Vorurteil der Spiel- und Basteltanten hält sich

Was die Fachkräfte besonders belastet: Obwohl auf sie immer neue zusätzliche Aufgaben zugekommen sind und sie trotz Unterbesetzung die Betreuung aufrechterhalten, sehen sie ihre Arbeit nicht ausreichend anerkannt. Gerade einmal 3,4 Prozent der befragten Kita-Leitungen fühlen sich angemessen durch die Politik wertgeschätzt, heißt es.

Das Vorurteil, Erzieher spielen, basteln und betreuen die Kinder nur, halte sich aus Sicht von drei Viertel der Befragten hartnäckig in den Köpfen der Gesellschaft. Immerhin: Von den Eltern erfahren neun von zehn Leitungen eine hohe Wertschätzung.

Die repräsentative Umfrage unter Kita-Leitungen, die der Informationsdienstleister Wolters Kluwer im Auftrag des VBE gemacht hat, findet seit 2015 jährlich statt. Rund 2600 Fachkräfte haben im November und Dezember 2018 daran teilgenommen.