Dortmund. Dortmund stattet seinen Ordnungsdienst neuerdings mit Stöcken aus. Gegen den Rat der Polizei. Was macht die Waffe mit den Stadtmitarbeitern?
„Absolute Gelassenheit“ braucht jeder, der sich auf diesen Job einlässt, versichern Andreas Rath (35) und sein Kollege Michael Weber (26) (Namen geändert). Die beiden Männer arbeiten beim Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) in Dortmund, und die Begegnungen, die Rath und Weber während ihrer Patrouillen erleben, sind zuweilen angenehm, manchmal aber von der schlimmen Sorte.
Die Ordnungsdienstler selbst haben die Stadt darum gebeten, sie mit Stöcken auszustatten. Die Nachricht darüber hat Wellen geschlagen. Viele andere Stadtverwaltungen in NRW wollen dem Dortmunder Beispiel nicht folgen. Die Polizeigewerkschaft GdP findet: Dieser Stock, den üblicherweise Polizisten tragen, sei eine gefährliche Waffe. Und so stellt sich die Frage: Müssen Ordnungsamts-Mitarbeiter heutzutage Stöcke tragen?
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„Ja“, sagen Rath und Weber, die seit sieben Jahren auf der Straße für Ordnung sorgen. „Ich nenne das Gerät gar nicht Schlagstock. Es dient nur zur Abwehr“, versichert Rath – groß, Vollbart, ruhiger, souveräner Typ – und erzählt, dass er den EMS-a, also den „Einsatzmehrzweckstock – ausziehbar“ bisher nur einmal gezückt habe. Bei einer Osterkirmes. „Eine Gruppe wollte aggressiv auf einen Mann los. Nachdem Ziehen des Stocks hielten die Angreifer sofort Abstand.“ Weber hat eine ähnliche Erfahrung gemacht: Allein der Griff zum Stock habe gereicht, als einer auf ihn losgehen wollte.
"Das Leben auf der Straße wird rauer"
„Das Leben auf der Straße wird rauer“, sagt Jürgen Walther, Chef der Abteilung Sicherheit- und Ordnung in Dortmund. „Unsere KOD-Kollegen hören oft Beleidigungen aus der untersten Schublade und Drohungen wie ,Wir sehen uns, wenn du nicht Uniform trägst'. Es gibt Zeitgenossen, die wollen die Kollegen schlagen, treten, bespucken.“ Sogar der banale Hinweis, man solle nicht bei Rot über die Ampel gehen, ende manchmal in einer Hasstirade, so Walther.
Offene Gewalt könne den Männern und Frauen auf Streife jederzeit begegnen, sagen sie, häufiger aber berührt sie die Tristesse von Gestrandeten, die überall in der Großstadt Spuren hinterlassen. Ordnungsdienstler sind auch Spurensucher. Heute finden sie: knittrige Schälchen aus Alufolie hinter einem Mäuerchen, eine leere Spritzenpackung zwischen Grashalmen, Schleim und Spucke auf dem Pflaster. „Heroin- und Kokainkonsum erhöht den Speichelfluss“, erklärt Weber.
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In der Nähe des Drogenkonsumraums des Gesundheitsamtes sitzt eine zusammengesunkene Gestalt vor einer Bierflasche, den Kopf unter einer Kapuze verborgen. Die Habseligkeiten des Mannes sind auf einem Fahrradanhänger verzurrt. „Den Herrn kenne ich. Der hat früher in einer schönen Wohnung gewohnt, war verheiratet“, sagt Weber. Ein anderer Mann mit einem großen Hund geht vorbei und wird gleich kontrolliert, denn Hündin „Susi“ trägt keine Steuermarke. „Ich bin OFW“, erklärt Susis Herrchen. Heißt: „Ohne festen Wohnsitz“. Er plaudert mit Rath und Weber. Alles ist locker, keine Spur von Konflikt.
Pistolen wie in Frankfurt finden die Dortmunder übertrieben
Auf der großen Treppe vor dem Bahnhofsvorplatz fällt ein junges Paar den Ordnungsdienstlern auf: Susi und Mike (Namen geändert). Die beiden verbringen viel Lebenszeit im Umfeld des Hauptbahnhofes. Ein Lautsprecher baumelt an Susis Gürtel, aus dem Musik plärrt. Zu laut, finden Rath und Weber. Susi – knallrot gefärbte Haare, greller Lippenstift, Zigarette in der Hand – dreht den Ton runter und muss gleich noch beweisen, dass sie schon 18 ist und rauchen darf. Auch hier bleibt alles friedlich. „Der Ordnungsdienst ist nicht immer so freundlich“, erzählen Susi und Mike, als die Kontrolleure schon weiter gegangen sind. Rath und Weber wiederum berichten, dass unter den Leuten auf dem Bahnhofsvorplatz etliche unfreundliche seien. Man kennt sich, aber man schätzt sich nicht immer.
Rath und Weber erinnern mit ihren blauen Uniformen an eine Polizeistreife. Neben dem Mehrzweckstock stecken eine Taschenlampe, Pfefferspray und Handfesseln am Gürtel. Unter der Jacke tragen sie eine Weste, die gegen Stiche und Schüsse schützt. Mit dem Stock seien sie nun bestens gerüstet, meint Rath. Pistolen, wie sie die Frankfurter Stadtpolizei trägt, findet er total übertrieben. „Was wir haben, reicht komplett“, pflichtet Weber ihm bei.
Die Bilanz nach zwei Stunden auf der Straße ist aus Raths und Webers Sicht erfreulich: Sie haben ein paar Ausweise kontrolliert, Ermahnungen ausgesprochen, eine Schuhhändlerin daran erinnert, dass Werbetafeln dicht an der Hauswand stehen müssen und eine tote Taube entsorgen lassen. Es gebe andere Tage, rauere. „Dann sind wir ein Ventil“, sagen sie. Der Stock sei wichtig, viel wichtiger aber: Gelassenheit.