Düsseldorf. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist erste Antisemitismusbeauftragte in NRW. Sie warnt: “Jude ist wieder zu einem Schimpfwort geworden.“
Die erste Antisemitismusbeauftragte in NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), warnt vor der zunehmenden Judenfeindlichkeit im Land. „Mich treibt um, dass wir heute wieder eine Entwicklung haben, die ich mir nie vorstellen konnte. Jude ist wieder zu einem Schimpfwort geworden“, sagte die 67-Jährige im Interview mit dieser Redaktion.
Die frühere Bundesjustizministerin fordert Initiativen, um die junge Generation für das Thema zu sensibilisieren: „Wir müssen allen Schülern möglichst früh erklären, was das Judentum ist und was Antisemitismus bedeutet. Jeder Schüler sollte einmal in seiner Schullaufbahn die Erinnerungsstätte eines Konzentrations- oder Vernichtungslagers besucht haben, um zu erfahren, was für eine Vernichtungsmaschinerie hinter diesen Massenmorden stand. Wir müssen auch den Schüleraustausch mit Israel intensivieren.“
Deutlich mehr antisemitische Straftaten
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Die Zahl antisemitischer Straftaten ist in Deutschland im vergangenen Jahr deutlich auf 1646 gestiegen – ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2017. Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Juden verdoppelte sich fast auf 62. In NRW wurden in der ersten Jahreshälfte 2018 insgesamt 89 antisemitische Straftaten gezählt, darunter 82, die von Rechtsextremisten verübt wurden. Aktuellere Zahlen für NRW liegen noch nicht vor.
Vor wenigen Tagen hatten Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und SPD-Landtags-Fraktionschef Thomas Kutschaty eine Meldepflicht für antisemitische Vorfälle in öffentlichen Einrichtungen gefordert. Diese Informationen über Antisemitismus, die nicht in den Straftaten-Statistiken auftauchen, sollten künftig direkt ans Büro der Antisemitismus-Beauftragten gehen.
Offener Antisemitismus
Die jüdische Gemeinschaft mache sich hierzulande große Sorgen, obwohl die Lage nicht so schlimm sei wie zum Beispiel in Frankreich, sagte Lehrer am Rande einer SPD-Fraktionssitzung mit den jüdischen Gemeinden in NRW. Vorurteile gegen Juden seien zunehmend auch aus der Mitte der Gesellschaft zu hören. Früher seien antisemitische Zuschriften anonym abgeschickt worden. „Heute tragen viele dieser Zuschriften den echten Namen des Absenders und die Anschrift“, so Lehrer.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war im November von der Landesregierung ins neue Amt der Antisemitismusbeauftragten berufen worden. Der Landtag hatte dies einstimmig beschlossen. Antisemitismus-Beauftragte gibt es im Bund und in acht Ländern. Leutheusser-Schnarrenberger genießt Ansehen als Expertin für Bürgerrechte. Berühmt wurde sie 1996, als sie wegen ihres Protests gegen den Großen Lauschangriff vom Amt der Bundesjustizministerin zurücktrat.