Düsseldorf. . Der tödliche Verwechselungsfall im Klever Gefängnis wirft neue Fragen auf. Die SPD bringt einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch.
Der zu Unrecht inhaftierte Syrer Amad A. hat den tödlichen Zellenbrand in der Justizvollzugsanstalt Kleve offenbar selbst gelegt. Das legen Erkenntnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft nahe, die NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) dem Landtag übermittelt hat.
Der 26-jährige Araber, der bei seiner Verhaftung mit einem von der Staatsanwaltschaft Hamburg gesuchten Afrikaner aus Mali verwechselt worden war und fälschlicherweise zwei Monate hinter Gittern saß, soll am 17. September mit Feuerzeug und Toilettenpapier den Brand entfacht haben. Er war demnach allein in seiner Zelle und taumelte den JVA-Bediensteten gegen 19.20 Uhr mit Verbrennung von 40 Prozent seiner Haut entgegen. Die Rufanlage soll er zuvor nicht betätigt haben. Knapp zwei Wochen später erlag er in der Bochumer Spezialklinik Bergmannsheil seinen schweren Verletzungen. Noch ist unklar, ob sich Amad A. selbst umbringen oder nur auf sich aufmerksam machen wollte.
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„Wir haben nichts zu verbergen“, sagte Justizminister Biesenbach am Donnerstag im Landtag. Als Konsequenz aus der Verwechselung der Häftlinge schickte er einen Erlass an alle Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen, um künftig die Personalien neuer Häftlinge eingehender selbst zu prüfen.
An einem Badesee festgenommen
Amad A. war im Juli an einem Badesee in Geldern festgenommen worden, weil er junge Frauen sexuell belästigt haben soll. Die Polizisten hielten den Syrer für einen Mann aus Mali, der von der Staatsanwaltschaft Hamburg in der Fahndungsdatei ausgeschrieben war und den gleichen Aliasnamen verwendete. Wie Innenminister Herbert Reul (CDU) bereits eingeräumt hatte, wurde Amad A. ohne den vorgeschrieben Foto-Abgleich und genauere Personalienprüfung in Haft genommen.
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Der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld mag nicht glauben, dass der Syrer daraufhin zwei Monate lang kein einziges Mal den Freiheitsentzug hinterfragte, nach einem Anwalt verlangte oder auf die mögliche Verwechslung hinwies. Amad A. sprach ordentlich Deutsch und kannte einen Anwalt, der ihn intensiv in Asylfragen betreut hatte. „Hier stimmt etwas gewaltig nicht“, sagte Engstfeld.
Nachfragen der Staatsanwaltschaft Hamburg, ob in NRW tatsächlich der Richtige säße, blieben folgenlos. Ebenso ein Gespräch von Amad A. bei der Anstaltspsychologin in Kleve am 3. September, in dem der Häftling sogar explizit klarzustellen versuchte, dass er nie in Hamburg war und die Taten des gesuchten Mannes aus Mali gar nicht begangen haben konnte. Engstfeld hält es für „lebensfremd“, dass selbst nach diesem Termin niemand hellhörig wurde.
Amad war polizeibekannt, aber nicht verurteilt
Bei den obligatorischen Aufnahmegesprächen in den Haftanstalten Geldern und Kleve konnte durch die fehlerhafte Polizei-Arbeit zuvor angeblich nicht auffallen, dass es sich bei Amad A. um keinen Afrikaner handelte. Der zu Unrecht Verhaftete selbst dachte zu diesem Zeitpunkt womöglich noch, für ein älteres Köperverletzung belangt zu werden. Amad A. war polizeibekannt, aber noch zu keiner Haftstrafe verurteilt worden.
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Engstfeld wirft der Justiz ebenfalls Schlampereien bei der Prüfung der Haftfähigkeit des Syrers vor. Der Mann zeigte schließlich schon bei Haftantritt Anzeichen von Drogenabhängigkeit, Persönlichkeitsstörung und Spuren von Selbstverletzungen, wie die Gesundheitsakte der Anstalt ausweist. Dennoch wurde spätestens am 3. September eine Suizidgefährdung durch die Anstaltspsychologin verneint. Ein schwerer Irrtum?
SPD-Fraktionsvize Sven Wolf brachte am Donnerstag bereits einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Gespräch: „Das ist Ihr Siegburg“, sagte er zu Justizminister Biesenbach. Im Siegburger Gefängnis fiel 2006 der 20-jährige Hermann H. nach einem beispiellosen Martyrium durch Mitgefangene einem Foltermord zum Opfer.