Düsseldorf. Agrarministerin Christina Schulze Föcking hat ihren Rücktritt erklärt. Zuvor hatte die Opposition einen Untersuchungsausschuss gefordert.
Unmittelbar vor der drohenden Einberufung eines Untersuchungsausschusses ist Nordrhein-Westfalens Agrar- und Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) zurückgetreten. Die 41-jährige Mutter zweier Söhne erklärte den Schritt am Dienstag nicht mit politischen, sondern mit persönlichen Gründen: In den vergangenen Monaten habe es zahlreiche anonyme und offene Drohungen gegen sie selbst und ihre Familie gegeben.
"Die Aggressivität der Angriffe hat mich in eine ständige Anspannung versetzt - und nicht nur mich: Der Preis meines politischen Amtes für meine Familie ist zu hoch." Ihr Landtagsmandat will sie behalten. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zollte der ehrgeizigen CDU-Politikerin Anerkennung für ihre Entscheidung: "Persönlich muss man respektieren, wenn jemand sagt, ich will jetzt meine Kinder, meine Familie eher in den Mittelpunkt stellen als die Politik."
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Schulze Föcking habe ihm Screenshots von Drohungen gezeigt. "Ich habe in meinem politischen Leben so persönliche Attacken noch nie erlebt, wie sie sie in den letzten Wochen erlebt hat", sagte er. Laschet will sich bei der Suche nach einem neuen Agrarminister nicht unter Zeitdruck setzen lassen. "Über die Nachfolge wird der Ministerpräsident in Ruhe entscheiden", sagte Regierungssprecher Christian Wiermer auf Anfrage.
Opposition hatte einen Untersuchungsausschuss gefordert
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Schulze Föckings Rücktritt kam nicht ganz unerwartet. Während sie am Dienstag vor den Türen der CDU-Landtagsfraktion kurz und gefasst ihre Entscheidung verkündete, berieten SPD und Grüne in ihren Fraktionssitzungen darüber, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen, um diverse Vorwürfe gegen die Ministerin aufzuklären. Grünen-Landeschefin Mona Neubaur twitterte, Schulze Föckings Rücktritt ersetze diese Aufklärung nicht. Trotzdem wollen die beiden Oppositionsparteien vor einer Entscheidung noch abwarten, wie sich Schulze Föcking in einer für diesen Mittwoch geplanten Fragestunde des Landtags äußert.
Ein Untersuchungsausschuss gilt mit seinen gerichtsähnlichen Befugnissen als schärfstes Schwert der Opposition. Mit ihrem Schritt schützt Schulze Föcking die schwarz-gelbe Koalition und ihre Partei nun vor weiterem Schaden. In einer am Wochenende veröffentlichten repräsentativen Wählerbefragung anlässlich des Jahrestags der NRW-Landtagswahl 2017 attestierten ihr die Bürger, die unbeliebteste Ministerin in Laschets Kabinett zu sein.
Mastbetrieb der Familie löste Kritik aus
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Schulze Föcking stand schon kurz nach ihrem Amtsantritt Ende Juni 2017 unter Beschuss. Auslöser waren heimlich aufgenommene Videos verletzter Schweine im heimischen Mastbetrieb, den sie nach ihrer Vereidigung als Ministerin ihrem Mann verpachtet hatte. Die Staatsanwaltschaft Münster sah keine Hinweise auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und nahm keine Ermittlungen gegen die Ministerin auf. Gleichwohl hingen die verstörenden Bilder blutender Tiere der für Tierschutz zuständigen Ministerin seitdem nach.
Kritisiert wurde Schulze Föcking auch wegen der Auflösung einer "Stabsstelle Umweltkriminalität". Hier verstrickte sie sich aus Sicht der Opposition in Widersprüche über die Bedeutung der in ihrem Haus angesiedelten Mini-Abteilung und die Beweggründe für das Aus. Zum Überlaufen brachte sie das Fass zuletzt mit einem vermeintlichen Hackerangriff auf das TV-Netzwerk in ihrem Privathaus. Am Ende entpuppte sich das Ganze als Bedienungsfehler eines Familienmitglieds.
Schulze Föcking erwähnte den drohenden Untersuchungsausschuss mit keinem Wort
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Bei dem falschen Hacker-Alarm sah auch Laschets Staatskanzlei nicht gut aus, die im März unmittelbar nach Schulze Föckings Anzeige voreilig vermeldet hatte: "Die Landesregierung verurteilt die offenkundig kriminellen Eingriffe in die Privatsphäre der Ministerin aufs Schärfste."Daraufhin hatte es Solidaritätserklärungen des gesamten Kabinetts und aller Landtagsfraktionen gegeben - ohne Anlass, wie die Ministerin erst in der vergangenen Woche enthüllte. Sie selbst hatte aber schon Wochen zuvor Hinweise der Staatsanwaltschaft auf diesen Sachstand.
Der designierte SPD-Landeschef Sebastian Hartmann erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter: "#SchulzeFoecking war nach offensichtlichen Unwahrheiten als Ministerin nicht mehr tragbar. Aber auch die Glaubwürdigkeit von Laschet und seinem Sprecher ist mit diesem Rücktritt beschädigt. Ihre Rolle wird weiter aufzuklären sein."
Schulze Föcking erwähnte den drohenden Untersuchungsausschuss in ihrer Rücktrittserklärung mit keinem Wort. Unmittelbar nach ihrem kurzen Statement vor den Medien verließ sie, ebenso wie anschließend Laschet, ohne weitere Antworten auf Fragen den Raum. AfD-Fraktionschef Markus Wagner sagte: "Menschlich tut mir die Frau leid." Letztlich sei Schulze Föcking aber mit ihrem Amt überfordert gewesen. (dpa)