Berlin. Nach dem Absturz der FDP bei der Landtagswahl in NRW will sich die FDP stärker profilieren. Droht jetzt Koalitionskrach in Berlin?

„Desaströs“ nennt Christian Lindner das Wahlergebnis der FDP an Rhein und Ruhr. Sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht von „Entsetzen“, Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann von einem „echt grauenvollen Abend“. Die FDP hat ihr Ergebnis halbiert, zum zweiten Mal nach Schleswig-Holstein erleben die Liberalen, dass sie als Regierungspartei dramatisch abgestraft werden und wieder gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde landen. Es triggert Lindners altes Trauma: Erst rein in die Regierung, dann raus aus dem Parlament.

NRW tut besonders weh, es ist der Landesverband von Parteichef Lindner, Justizminister Marco Buschmann, Generalsekretär Dijir-Sarai. Der kündigte bereits am Morgen einen neuen Kurs an: Die Handschrift der FDP als Regierungspartei müsse sichtbarer werden. „Da müssen wir deutlich besser werden.“ Gleichzeitig warnte der Generalsekretär davor, die Profilierung über alles andere zu stellen: Klare Kante sei immer gut, aber: „Man wird niemals in einer Regierung Opposition spielen können. Das ist ein Kunststück, das man schaffen muss.“

2013 flog die FDP nach Zoff und Zank aus dem Parlament

Das Kunststück ging beim letzten Mal nicht gut – 2013 flog die FDP nach Zank und Zoff nicht nur aus der Regierung, sondern gleich auch aus dem Bundestag. Wiederholt sich das jetzt? Die eigenwillige Aktion von FDP-Verteidigungspolitiker Markus Faber, der am Freitag nach dem Auftritt des Bundeskanzlers im Verteidigungsausschuss unter Protest den Sitzungssaal verlassen hatte, sorgte intern für gewaltigen Ärger.

Faber dürfe sich nicht verhalten wie ein Oppositionspolitiker, hieß es aus der Fraktion. Zum Krisensitzung hatte sich auch Parteichef Lindner geschaltet, was zeigt, wie alarmiert die Parteispitze war. Ein Vorgeschmack auf die nächsten Monate und Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl? „Wohin das führt, weiß man ja“, sagt am Montag einer aus der FDP-Spitze.

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Am Morgen nach der NRW-Wahl steht Lindner in der Berliner Parteizentrale und spricht eine unmissverständliche Warnung aus: „Wir haben gegenwärtig keine Zeit und keinen Raum, um uns vertieft mit uns selbst zu beschäftigen, solange es Krise und Krieg gibt.“ Im Zentrum stehe nicht das parteipolitische Interesse der FDP, sondern das Land „und nicht kleinere oder größere Geländegewinne“. Die FDP arbeite verlässlich und professionell in der Ampel. „Die FDP nimmt die parteipolitische Eigenprofilierung nicht wichtiger als den Erfolg der Regierung.“ Wer das so betonen muss, weiß warum.

Woran hat’s in NRW gelegen? Die Partei sieht drei Faktoren für den Absturz

Das miserable Abschneiden der FDP in NRW dagegen erklären sie sich in der Parteispitze vor allem mit drei Faktoren: Die Polarisierung auf die beiden Spitzenkandidaten, die dazu geführt habe, dass ein Großteil ehemaliger FDP-Wähler CDU gewählt habe. Dazu komme die von der FDP in der Corona-Krise schlecht gemanagte Bildungspolitik in Schulen und Kitas.

Und schließlich die Entscheidung der Ampel in Berlin, beim Entlastungspaket die Rentner außen vor zu lassen. Kein Thema sei so oft der FDP angelastet worden. Der Effekt: Bei den über 60-Jährigen verloren die Liberalen so dramatisch, dass es am Sonntag kurz so aussah, als würde sie ganz aus dem Parlament gejagt.

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