Düsseldorf.. Ende September werden die Impfzentren in NRW schließen. Corona-Impfungen wird es weiter geben – vor allem in Arzpraxen. Das ist geplant.
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt seit mehreren Wochen besonders in NRW, gleichzeit ist die Impfquote nach wie vor nicht hoch genug. Dennoch werden zum 30. September die 53 Impfzentren in NRW geschlossen. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, neben der KV Westfalen-Lippe verantwortlich in NRW für die Terminvergabe der Impfzentren, hat am Mittwoch mitgeteilt, wie es weiter gehen soll mit den Impfungen in NRW.
"Die Impfung hilft und schützt zu mehr als 90 Prozent davor, durch Corona schwer zu erkranken", sagte am Mittwoch Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein. Bei Ungeimpften oder nicht ausreichend Geimpften sei das Risiko wegen Covid-19 zum Intensivpatienten zu werden im Vergleich zu Vollgeimpften mindestens 20-fach erhöht, sagte Bergmann.
In der Impf-Organisation "stehen wir nun vor einer neuen Phase, die wird gut klappen", erklärte Bergmann. Schon jetzt würden im Bereich der KV Nordrhein die Impfzentren nicht mehr das Gros der Impfungen durchführen: Zwischen dem 23. und 29. August etwa wurden 53 Prozent der Corona-Impfungen aus Arztpraxen gemeldet und 40 Prozent aus Impfzentren.
Mit Blick auf die sich abzeichnenden "Boosterimpfungen" bestehe laut Bergmann im übrigen "kein Zeitdruck", die Wirkung etwa von Biontech-Impfstoff lasse den jüngsten Erkenntnissen nach "nicht schlagartig nach". Laut Hersteller sei eine Auffrischung frühestens nach acht Monaten angeraten, erklärte Bergmann. Auch das lasse sich in den Arztpraxen bewältigen, dazu brauche es keine Impfzentren mehr, hieß es bei der KV. Patienten sollten sich mit ihrem Hausarzt beraten, wann und inwieweit eine solche Auffrischung für sie ratsam sei, meinte Bergmann.
Schließung der Impfzentren: Arztpraxen stehen nun im Fokus
Mobile-Impfteams, die in den vergangenen Monaten Menschen unter anderem in Pflegeeinrichtungen geimpft haben, werde es laut KV Nordrhein mit Schließung der Impfzentren nicht mehr geben. Laut Bergmann würden künftig die entsprechenden Arztpraxen, die mit Heimen verbunden sind, für die Impfungen verantwortlich sein. Es gebe aber auch Pläne in Kommunen, eine mobile Versorgung vor Ort zu organisieren oder im Einzelfall Ärzte zu vermitteln.
Mit dem Aus der Impfzentren müsste aber auch bei den Impfstoffen etwas verändert werden, forderte die KV-Nordrhein-Vorstandschef Bergmann: "Wir brauchen in den Arztpraxen jetzt Impfstoffe in Einzeldosen!" Dazu sei auch Druck aus der Politik erforderlich, sagte Bergmann. Die bisherige Praxis mit sogenannten Vials, die in den Praxen in Einzeldosen 'umportioniert' werden müssen, sei beim Umstieg zu den Arztpraxen nicht mehr praktikabel, "weil die Gefahr groß ist, dass dadurch Impfstoff vernichtet werden muss, der angebrochen ist, aber nicht zeitnah verimpft werden kann", erklärte Bergmann.
Corona-Impfung künfig bei "normalem Arztbesuch"
Coronaschutz-Impfungen sollten nach Vorstellung der KV Nordrhein künftig "im Rahmen des normalen Arztbesuchs sozusagen miterledigt werden", forderte Bergmann. Eine Terminvereinbarung über die bisherige Hotline 116117 sei mit dem Aus der Impfzentren nicht mehr möglich; gleichwohl bleibe die Hotline bestehen, weil sie auch zahlreiche andere Aufgaben hat.
Auch für Patienten, die ihre Erstimpfung erst jüngst in einem Impfzentrum erhalten haben und die mit Schließung der Impfzentren dort nicht ihre Zweitimpfung erhalten, will die KV helfen: Online werde eine Übersicht erstellt mit Arztpraxen, die auch Patienten impfen, die dort nicht bereits bekannt sind. Etwa 1700 Arztpraxen hätten sich dort bereits registrieren lassen (externer Link), sagte Bergmann. Insgesamt führt die KV Nordrhein derzeit 3600 Arztpraxen auf, die aktuell Corona-Impfungen durchführen.
Die Schließung der Impfzentrum hatte die NRW-Landesregierung im Juni bekannt gegeben, vor allem wegen ihrer erheblichen Kosten. Nach Auskunft des Gesundheitsministeriums kosten die Impfzentren pro Monat etwa 90 Millionen Euro.
Schließung der NRW-Impfzentren: "Das falsche Signal"
Aus der Opposition im NRW-Landtag wird die Schließung indes als "das falsche Signal" kritisiert. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty begründete seine Kritik mit der sich abzeichnenden Notwendigkeit, bestimmten Altersgruppen eine Drittimpfung nahe zu legen und der Befürchtung, dass die Wirkung des Biontech-Impfstoffs nach wenigen Monaten laut Studien aus Israel erkennbar nachlasse und womöglich auch dort Nachimpfungen in großem Stile notwendig sein würden.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) argumentierte, dass ab Oktober nur noch vereinzelt ein erstes Impfangebot nötig sei, erklärte eine Ministeriumssprecherin Anfang August. Auffrischungsimpfungen bei Älteren und sogenannte aufsuchende Impfungen in sozial benachteiligten Stadtteilen sollten vor allem durch mobile Einsatzteams bewältigt werden, hieß es.
Corona-Impfung: Zweitimpfquote in NRW bei 63,2 Prozent
Aus dem Hausärzteverband NRW kamen im Juni, als die Landesregierung die Schließung angekündigt hatte, positive Einschätzungen: Das Gros der Impfungen sei im Sommer bereits in den Arztpraxen angekommen, hieß es. Zudem wurde auf die jährlichen Grippeschutzimpfungen verwiesen; 2020 seien auch ohne Impfzentren 25 Millionen Menschen innerhalb von drei Monaten erfolgreich geimpft worden. Zum Vergleich: Bem Grippeschutz ist nur eine Impfung nötig.
Aktuell stagniert die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus auf hohem Niveau. NRW-weit lag die 7-Tage-Inzidenz am Mittwoch bei 120.3, deutlich höher als der Bundesdurchschnitt (75,7). Bei den Impfungen gelten 63,2 Prozent der Bevölkerung in NRW als voll geimpft, bundesweit sind es den Zahlen nach 60,5 Prozent.
"Bisher schlechteste Wochen beim Impfen"
Aus Sicht der KV Nordrhein sei bei den Impfungen in NRW "noch viel Luft nach oben." Derzeit wirke sich der Einbruch der Impfzahlen in den Sommerferien aus. Die vergangene Woche sei die "bisher schlechteste Woche beim Impfen" gewesen, berichtete die KV Nordrhein. Es zeichne sich jedoch ab, dass das Interesse an der Impfung derzeit wieder steige.
Am höchsten ist die Impfquote in der Altersgruppe 60 plus: 85,8 Prozent der Betreffenden seien voll geimpft, 88,9 hätten mindestens eine Impfung. In der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen seien 68,5 Prozent voll geimpft, 71,7 Prozent hätten bisher mindestens eine Impfdosis erhalten. bei 12- bis 17-Jährigen gelten 23,7 Prozent als voll geimpft, 38,1 Prozent hätten mindestens eine Impfdosis erhalten.
NRW gibt Hundertausende nicht genutzte Impfdosen zurück
Unterdessen will das Land NRW rund 846.000 ungenutzte Impfdosen aus den Impfzentren zurückziehen und an den Bund schicken. Mehr als eine Million weitere Dosen, die noch im Zentrallager waren, sind bereits an den Bund zurück gegangen, teilte das NRW-Gesundheitsministerium zuletzt in einem Bericht an den Landtag mit. Bereits Anfang August war bekannt geworden, dass 924.000 Impfdosen von Astrazeneca und 101.750 Impfdosen von Johnson & Johnson aus dem Zentrallager zurück zum Bund geliefert werden. Der Bund kann die Impfstoffe an Drittstaaten weitergeben, bevor sie verfallen.
In einem zweiten Schritt sollen laut Ministerium nun Vektorimpfstoffe zurückgenommen werden, die bereits an die Impfzentren ausgeliefert wurden. „Hier wurden durch das Ministerium 845 900 Dosen des Impfstoffes der Firma Astrazeneca zur Rückgabe angemeldet“, heißt es in der Landtags-Vorlage.
Als dritten Schritt plant der Bund demnach, auch überzählige mRNA-Impfstoffe - wie von Biontech - zurückzunehmen. „Hier liegen der Landesregierung derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Verfahren vor“, so das Düsseldorfer Gesundheitsministerium. Auch sei „noch nicht abschließend erkennbar, welche Größenordnung eine derartige Rückführung haben könnte.“
(dae/mit dpa)