An Rhein und Ruhr. NRW will bis Ende September seine Impfzentren schließen. Eine Frist, die der Hausärzteverband Nordrhein kritisch sieht. Ist das Ziel erreichbar?
Es ist eine Ankündigung, die Hoffnung weckt: Bis Ende Juli sollen in NRW alle Bürgerinnen und Bürger ein Angebot für eine Erstimpfung erhalten haben. Ende September könnten dann laut Karl-Josef Laumann (CDU) auch die kostspieligen Impfzentren „in ihrer jetzigen Form“ geschlossen werden. Doch wie realistisch ist die Prognose des NRW-Gesundheitsministers? Und was passiert, wenn die ersten Auffrischungsimpfungen auf dem Programm stehen? Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverband Nordrhein, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist der Zeitplan realistisch?
„Laumann selbst hat seine Prognose ja bereits etwas abgeschwächt und gesagt, dass seine Aussage auf den für NRW zugesagten Impfstoffmengen basiert“, so Baaken. In der Vergangenheit hätten Haus- und Betriebsärzte aber immer wieder die Erfahrung gemacht, dass bestellte Impfdosen nicht eingetroffen seien. „Theoretisch kann man ihm also anhand der Zahlenspiele zustimmen. Aus der Praxiserfahrung heraus würde ich an dem Termin aber nicht festhalten.“ Baakens Befürchtung: Durch die Festlegung auf ein bestimmtes Datum könnten falsche Hoffnungen geweckt werden. „Ich glaube, die Bevölkerung wird müde von diesen Ankündigungen.“
Wie wichtig sind Impfzentren noch für die Impfkampagne?
Als die Impfkampagne im Dezember 2020 angelaufen ist, wurde ausschließlich in Impfzentren geimpft. Mittlerweile können Patienten auch bei Haus-, Fach- und Betriebsärzten einen Termin machen. „Der Anteil der Impfzentren an den Impfungen hat deutlich abgenommen. Das Gros ist in den Praxen angekommen“, sagt Baaken. Die Impfzentren seien vor allem zu Beginn der Impfkampagne wichtig gewesen. „Unser Wunsch ist aber, dass das jetzt in die Praxisebene runtergeht.“ Schließlich würden in den Impfzentren auch viele aktive Ärzte arbeiten, die dann in ihren Praxen fehlten. „Außerdem muss es ja das Ziel sein, die Impfungen kostenorientiert durchzubekommen.“ Laut Laumann belaufen sich die Kosten der NRW-Impfzentren pro Monat auf etwa 90 Millionen Euro. „Das kann keine Dauerlösung sein“, so Baaken.
Wie ist die Lage in den Praxen?
Die Situation in den Praxen sei weiterhin angespannt. „Das Problem ist, dass gerade jetzt vor den Ferien viele Patienten in die Praxen kommen und ihre Chance nutzen wollen.“ Auf die Mitarbeiter werde teilweise massiver, psychischer Druck ausgeübt. „Da werden Teams am Eingangsbereich stark belastet, das ist sehr unschön.“ Baaken glaubt jedoch, dass sich die Lage langfristig entspannen werde. „Ich habe die Hoffnung, dass wir bis zum Herbst zu einer gewissen Normalität zurückkehren.“
Droht neues Chaos, sobald Auffrischungen anstehen?
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Ähnlich wie Grippeimpfungen müssen auch die Impfungen gegen Corona in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden. Ein erneutes Impfchaos befürchtet Baaken aber nicht: „Wir werden nicht mehr den Druck haben, dass Tausende Patienten auf einen Schlag ihre Impfung haben wollen.“ Beim Grippeschutz seien 2020 ohne größere Probleme 25 Millionen Menschen innerhalb von drei Monaten geimpft worden. „Das ist stemmbar, wenn nicht plötzlich alle Impfungen in nur vier Wochen erfolgen müssen.“ Das Ziel müsse sein, die Corona-Impfungen in den normalen Praxisalltag zu integrieren.
Wofür braucht es die kommunalen Impfteams?
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Laumann hat für die Zeit nach der Schließung der Impfzentren kommunale Impfteams ins Gespräch gebracht. Kreise und kreisfreie Städte müssten Strukturen aufbauen, um die Haus- und Betriebsärzte zu unterstützen. Das sei laut Baaken vor allem bei Bevölkerungsgruppen wichtig, die nur einen begrenzten Zugang zu Ärzten haben – zum Beispiel Obdachlose oder Menschen, die in Flüchtlingsunterkünften leben. „Hier wird es sicherlich wieder auf Aktionen ankommen, die bereits auf lokaler Ebene durchgeführt wurden. Da werden Städte und Kreise sehr individuelle Lösungen finden.“
>>> Ärzte begrüßen baldige Schließung der Impfzentren
Die Kassenärztlichen Vereinigungen begrüßen die Ankündigung Laumanns. Es stehe außer Frage, dass die Impfung in Zukunft vollständig in den Praxen verabreicht werden müsse. Die Impfzentren seien errichtet worden, um eine rasche, strukturierte Impfung von besonders gefährdeten Personen zu ermöglichen.
Zudem hält es die KV Nordrhein für sinnvoll, die Organisationsstruktur auf kommunaler Ebene zum Beispiel durch koordinierende Einheiten aufrechtzuhalten. So könnten Impfungen in Pflege- heimen umgesetzt werden.