Berlin. Wegen zahlreicher Pannen bei der Bundestagswahl 2021 hält Bundeswahlleiter Georg Thiel eine teilweise Wiederholung für unumgänglich.
Wegen zahlreicher Pannen und Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung hält Bundeswahlleiter Georg Thiel eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin für unumgänglich. Bereits im November hatte er Einspruch gegen die Wertung der Wahl in sechs von zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen eingelegt, wie die Berliner Morgenpost berichtet.
Die Wahlen zum Bundestag und zum Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September waren von zahlreichen Pannen und organisatorischen Problemen geprägt gewesen. Dazu zählten falsche oder fehlende Stimmzettel, die zeitweise Schließung von Wahllokalen und lange Schlangen davor. Zudem hatten Wahllokale teils noch weit noch nach 18 Uhr geöffnet. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundeswahlleiter schon im November Einspruch gegen die Wertung der Wahl in sechs Berliner Bundestagswahlkreisen eingelegt.
Bundestagswahl 2021: Bundeswahlleiter kritisiert Berliner Pannen scharf
Jetzt legt er nach: Bei einer Anhörung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestages kritisierte er hat die zahlreichen Pannen scharf. Er warnte zudem vor einer Wiederholung der Probleme. Die Schwierigkeiten in Berlin seien "vorhersehbar" gewesen, sagte Thiel am Dienstag in der Anhörung. Man habe sich "völlig verrechnet mit den Wahlzeiten". Dass Wahlzettel da sind, gehöre "zur Standardvorbereitung von Wahlen", so der Beamte. Ihm sei es "völlig unverständlich, warum das vorkommt". Auch die Dokumentation sei "völlig unzureichend".
Hunderttausende Wahlhelfer in ganz Deutschland zeigten, dass es funktioniert. "Nur hier in Berlin nicht. Und das wird auch beim nächsten Mal nicht funktionieren, weil wir keine Verbesserung sehen", sagte Thiel den Bundestagsabgeordneten. Dabei sei Deutschland doch ein "G7-Staat", Berlin die Hauptstadt eines "zivilisierten Landes". Er habe vor der Wahl immer wieder mit den Berlinern über die Mehrbelastung durch die parallel stattfindenden Wahlen zum Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen plus Volksentscheid und Berlin-Marathon geredet. Die Landeswahlleiterin habe immer gesagt, alles sei gut vorbereitet. Mehr zum Thema: Wahlchaos in Berlin: Landeswahlleiterin meldet sich zu Wort
Der Ausschuss muss entscheiden, ob er dem Plenum des Bundestages empfiehlt, die Bundestagswahlen in den sechs Wahlkreisen Mitte, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost zu wiederholen.
Bundestagswahl: Erste Anfechtung in der bundesdeutschen Geschichte
Der Bundeswahlleiter hat genau dies beantragt und erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine Wahl angefochten. Er ist der wichtigste der mehr als 2100 Einwender gegen die Gültigkeit der Wahlen. "Was muss sonst noch passieren, dass wir Wahlen als wiederholungswürdig ansehen?", fragte Thiel rhetorisch. So etwas dürfe sich nicht wiederholen. "Ich habe nicht den Eindruck, dass das künftig in Berlin anders wird", schilderte der oberste Wahlleiter des Landes, der jedoch kein Weisungsrecht hat, seinen Eindruck: Die gesamte Wahlorganisation in Berlin brauche dringend eine Überarbeitung. Die Probleme hätten auch nichts mit einer Großstadt zu tun, denn in München, Köln oder Hamburg laufe es. In der Hauptstadt gehe es nicht um einzelne Ausreißer, sondern um ein "komplettes systematisches Versagen".
Der Bundestag führt ein eigenes Verfahren zur Kontrolle der Bundestagswahlen durch. Das ist losgelöst von den Beschwerden gegen die Abgeordnetenhauswahlen, über die das Berliner Landesverfassungsgericht voraussichtlich im Herbst entscheidet. Für die Landtagswahl ist eine Wiederholung durchaus möglich, während es bei der Bundestagswahl nur um solche Wahlkreise geht, die mit besonders großen Problemen aufgefallen waren. Wie schwerwiegend die Mängel waren, das ist unter dem Bundeswahlleiter und seiner Berliner Kollegin Ulrike Rockmann umstritten. Zu klären ist auch, ob die Mängel relevant waren für die Mandatsvergabe. Das könnte am ehesten in Reinickendorf der Fall sein, wo die CDU-Politikerin Monika Grütters bei den Erststimmen nur knapp vor dem SPD-Konkurrenten lag. Zudem muss bewertet werden, ob eine Wiederholung der Wahl in den sechs Wahlkreisen verhältnismäßig wäre. Lesen Sie auch: Wer hat die Wahl gewonnen? Alle Ergebnisse der Bundestagswahl 2021
Nach einem wahrscheinlich erst nach der Sommerpause zu erwartenden Votum des Bundestages können Beteiligte noch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Weil die Klärung dann erst nach einer Entscheidung der Berliner Verfassungsrichter zur Abgeordnetenhauswahl erfolgt, könnten im Falle einer Wiederholung beide Urnengänge nicht zeitgleich stattfinden.
Wahlen in Berlin: CDU - "Zustände wie in einer Bananenrepublik"
Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, kommentierte: "Die Aussagen des Bundeswahlleiters zur Berliner Wahl sind dramatisch. Rot-Rot-Grün wurde vor den Augen der Republik ein komplettes systematisches Versagen bei der Wahlorganisation attestiert. Ausgerechnet in der deutschen Hauptstadt waren Zustände wie in einer Bananenrepublik zu beobachten." Wahrscheinlich sei die Wahl zum Berliner Landesparlament sogar insgesamt fehlerhaft. Ernsthafte Konsequenzen aus dem Chaos-Wahl seien aber bis heute nicht gezogen worden. Die rot-grün-rote Koalition habe sich auf eine mögliche Wiederholung der Wahlen nicht vorbereitet.
Bis heute wurden keine ernsthaften politischen Konsequenzen aus der Chaos-Wahl gezogen. Im Gegenteil: Der verantwortliche SPD-Senator sitzt weiterhin im Senat. Frau Giffey hat mit der gleichen Koalition weitergemacht wie vorher. Und bis heute gibt es keine Aussagen dazu, wie man es bei der nächsten Wahl besser machen will. Geschweige denn, wie man sich auf eine mögliche Wiederholung der Wahlen vorbereitet.
"Die CDU hat hierzu Vorschläge gemacht. Wir müssen das Vertrauen in die Berliner Wahl und in die Funktionsfähigkeit unserer Stadt wiederherstellen. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung - und ich habe große Zweifel, dass der Giffey-Senat dazu noch in der Lage ist", so Evers.
Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.