Köln/Essen. Ihr Feindbild sind Salafisten, sie selbst bezeichnen sich als bürgerlich. Die “Hooligans gegen Salafisten“ fühlen sich zu Unrecht in die rechte Ecke gedrängt. Dabei würden sie doch nur versuchen, ihr Vaterland zu retten. Doch was ist dran an ihren eingängigen Thesen? Ein Faktencheck.
Zu Tausenden zogen die "Hooligans gegen Salafisten" am Sonntag durch Köln und riefen ihre Parolen. Sie sind "für Deutschland" und "gegen Salafisten" auf die Straße gegangen. Ihre Parolen sind einfach und eingängig. Aber sind sie auch richtig? Wir haben einige ihrer Thesen einem Faktencheck unterzogen.
1. "Salafisten übernehmen bald die Macht in Deutschland."
Richtig ist: Die Zahl der Salafisten in Deutschland wächst schnell. 2012 bezifferten deutsche Sicherheitsbehörden die Zahl Salafismus-Anhänger noch auf 2500. Heute sind es nach Angaben des Verfassungsschutzes bereits 6300; bis zum Jahresende könnte ihre Zahl auf 7000 steigen.
Zur Machtübernahme wird das angesichts einer Gesamtbevölkerung von gut 80 Millionen Menschen wohl kaum reichen. Zum Vergleich: Die katholische Kirche hat gut 24 Millionen Mitglieder, die evangelische knapp weniger. Selbst innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft sind die Salafisten nicht mehr als eine Randgruppe: Gut 3,3 Millionen Moslems leben in Deutschland. 0,2 Prozent von ihnen sind Salafisten.
2. "Die Politik unternimmt nichts gegen Salafisten."
Schon 2013 hat der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mehrere Salafisten-Vereine verboten, darunter "DawaFFM" und "Islamische Audios". Wohnungen wurden durchsucht, Handys, Laptops, Vereinsvermögen und Propagandamaterial beschlagnahmt.
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Jetzt planen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und seine Länderkollegen weitere Schritte. So sollen gewaltbereiten Islamisten die Ausweise abgenommen werden, um sie an der Ausreise zu hindern. Der Verfassungsschutz beobachtet salafistische Vereinigungen.
Mehrere Länder, darunter NRW, haben Hotlines geschaltet, an die sich Eltern oder Lehrer wenden können, wenn sie befürchten, ihre Kinder oder Schüler könnten in salafistische Kreise geraten sein. Dort finden sie Beratung und Hilfsangebote.
3. "Salafisten verbreiten Terror in Deutschland."
In der Tat: Es gab einen Terrorakt in Deutschland, der wohl auf das Konto von Salafisten geht: der gescheiterte Anschlag auf den Bonner Hauptbahnhof. Hinzu kommt noch der von der Polizei unterbundene Anschlag auf Pro-NRW-Chef Markus Beisicht. Und sonst?
Am 6. Dezember 2012 verletzten Salafisten bei einer Demonstration in Bonn 29 Polizisten. Die meisten Beamten wurden von Steinwürfen getroffen, zwei von ihnen wurden mit einem Messer attackiert und erlitten schwere Verletzungen. Die Salafisten waren Teil einer Gegenkundgebung, bei der 500 bis 600 Menschen gegen einen Aufmarsch von Pro NRW demonstrierten. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) warf den Rechtsextremisten im Anschluss vor, die Salafisten gezielt provoziert zu haben. Die Muslime hätten zuvor überwiegend friedlich demonstriert.
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Ein halbes Jahr zuvor waren in Solingen drei Polizisten von Salafisten verletzt worden. Auch hier protestierten sie gegen eine Pro-NRW-Aktion, bei der Rechtsextremisten die umstrittenen Mohammed-Karikaturen des dänischen Künstlers Kurt Westergaard zeigten.
Bei Demonstrationen in Hamburg und Celle gerieten im Oktober 2014 Salafisten und Kurden aneinander. Mehrere Menschen wurden verletzt. Kurden bezichtigten im Anschluss die Salafisten, die Krawalle ausgelöst zu haben.
Der Verfassungsschutz, der die Salafisten beobachtet, spricht bis heute von einer "abstrakten Terrorgefahr". Hinweise auf konkrete Anschlagspläne gebe es gegenwärtig nicht.
4. "Die Salafisten fliegen nach Syrien und sprengen sich dort in die Luft"
Die Zahlen sind alles andere als gesichert, aber der Verfassungsschutz hält sie für sicher genug, um sie zu veröffentlichen: Mindestens 450 Salafisten seien aus Deutschland nach Syrien gereist, um dort die IS-Kämpfer zu unterstützen. Rund 150 seien inzwischen zurückgekehrt. Sieben bis zehn von ihnen hätten Selbstmordanschläge begangen.
Der Verfassungsschutz räumt ein, dass die Zahlen nicht präzise seien: "Das Problem ist, dass in Syrien und im Irak immer wieder Leute auftauchen, die wir vorher gar nicht kannten und auf die uns der BND oder andere Auslandsnachrichtendienste hinweisen", sagt Verfassungschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen. Die Dunkelziffer sei also hoch.
5. "'Hooligans gegen Salafisten' sind nicht rechts."
Wie rechts sind die "Hooligans gegen Salafisten"? Eine Frage, die sich sicherlich nicht pauschal beantworten lässt. Es gibt aber Hinweise, dass die Gruppe nicht so "bürgerlich" ist, wie ihre Mitglieder es immer wieder darzustellen versuchen.
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So nahmen an der Demo in Köln bundesweite bekannte Rechtsextremisten teil. Etwa Siegfried Borchardt, besser bekannt als "SS-Siggi. Der heute 60-Jährige war in den 80ern und 90ern in der vordersten der rechtsextremen "Borussenfront" zu finden. Bis vor Kurzem saß er für "Die Rechte" im Dortmunder Stadtrat. Ebenfalls dabei: Dominik Roeseler, Stadtrat von Mönchengladbach und aktives Mitglied von Pro NRW.
Während der Demonstration in Köln waren mehrfach ausländerfeindliche Parolen zu hören: "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" und die Nazi-Parole "Frei, sozial und national".
Zudem spielte dort die Hooligan-Band "Kategorie C", die Experten als "Kultband für den Nazi-Hooligan-Bereich" bezeichnen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hat "Kategorie C" in Köln ein eigens für die Veranstaltung geschriebenes Lied gespielt. Eine Textpassage: "„Heute schächten sie Schafe und Rinder, morgen vielleicht schon Christenkinder".
Keines dieser Argumente belegt, dass alle Demo-Teilnehmer "Rechte" oder "Rechtsextremisten" sind. Wer sich selbst aber "bürgerlich" nennt, sollte darüber nachdenken, ob er tatsächlich in diesen Kreisen verkehren möchte.