Brüssel. . Mehr als die Hälfte der 751 Volksvertreter in Brüssel verfügt neben der Diät über weitere Einkünfte. Spitzenreiter bei den Deutschen ist ein Landwirt aus Sachsen. Kritiker beklagen eine Interessenkollision.

Mehr als die Hälfte der 751 Abgeordneten des Europaparlaments verfügt über Nebeneinkünfte. Zum Teil sind sie erklecklich. Zwölf Abgeordnete haben im neuen Register finanzieller Interessen ein monatliches Zubrot von über 10. 000 Euro angegeben – wie hoch es tatsächlich ist, bleibt aber offen.

Die Organisation Transparency International (TI), die Amts- und Mandatsträgern auf die Finger schaut, hat die Daten zusammen­gestellt. Sie stammen überwiegend aus dem Verzeichnis, für das die Volksvertreter zu Beginn der Legislaturperiode angeben müssen, was sie jenseits der Arbeit im Hohen Haus verdienen, was sie an sonstigen materiellen Interessen haben und wo sie Mitglied sind.

"Alarmierendes Ausmaß privater Interessen"

Spitzenreiter bei den deutschen Volksvertretern ist der CDU-Mann Peter Jahr, Landwirt und Agrar­experte aus Sachsen. Laut TI kommt er auf ein Monats-Extra bis zu 27.050 Euro. Jahr stellte das ­sogleich richtig: Tatsächlich seien ihm 2013 aus Beteiligungen an sechs Betrieben 110.000 Euro vor Steuern zugeflossen. Nach Steuern sei das „gerade einmal ein moderner Traktor“.

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Vielleicht sogar weniger als die Extra-Saläre von Ex-Industriefunktionär Hans-Olaf Henkel. Die summieren sich nach der TI-Tabelle für den heutigen AfD-Europa-Abgeordneten auf einen Betrag zwischen 3000 und 15.000 Euro monatlich.

TI spricht von „einem alarmierenden Ausmaß privater Interessen“. 398 Volksvertreter sind auch außerparlamentarisch tätig, rund ein ­Drittel bekommt dafür Geld – und zwar zusätzlich zu den rund 8000 Euro Abgeordneten-Diät plus 11.000 Euro Zulagen und Spesen.

Genaue Summen sind nicht feststellbar

175 Parlamentarier verdienen nebenher mindestens 500 Euro im Monat. Die genauen Summen sind nicht feststellbar. Der italienische Tycoon und Milliardär Renato Soru etwa ist als sozial­demokratischer Europa-Abgeordneter weiterhin Chef seines Internet-Unternehmens Tiscali mit Einkünften „über 10.000 Euro“ monatlich. Die tatsächliche Summe dürfte sich auf ein Vielfaches belaufen.

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Von Birgitta Stauber-Klein/Sigrid Krause/Daniel Freudenreich/Knut Pries

Das schafft auch Guy Verhof­stadt, Fraktionschef der Euro-Liberalen, dank mehrerer lukra­tiver Aufsichtsratsposten. Die einstige französische Justizministerin Rachida Dati, jetzt christ­demokratische Abgeordnete in Straßburg, rangiert ebenfalls in der Top-Klasse, ihre Honorare als Anwältin machen es möglich. Im Parlament ist Dati mit der versehentlich publik gewordenen Bemerkung aufgefallen, es sei dort leider sehr langweilig.

Der rumänische Christdemokrat Daniel Buda bringt es nicht nur auf Nebenverdienste in fünfstelliger Höhe. Zu seinem Wohlstand tragen laut Interessenerklärung auch „179 Schafe“ bei.

68 Nebeneinkünfte

Die Liberale Nathalie Griesbeck aus dem französischen Metz ist die Geschäftigste von allen. Sie ­be- kennt sich zu nicht weniger als 68 außerparlamentarischen Aktivitäten, finanziell alle in der Bagatell-Zone (bis 500 Euro), überwiegend Posten und Pöstchen in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und Kultur.

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Die tüchtigsten Zuverdiener finden sich in den Reihen der Fraktionslosen, Liberalen und Christdemokraten. Nationaler Spitzenreiter sind die Österreicher, die Deutschen sind als Nebenverdiener vergleichsweise bescheidener.

Freilich geht es bei den Meldungen nicht immer korrekt zu. 46 Abgeordnete wollen vor ihrem jetzigen Mandat weniger als 1000 Euro im Monat verdient haben – dabei gehörten acht von ihnen bereits dem vorherigen EU-Parlament an und wurden entsprechend mit Diäten versorgt. Außerdem beanstandet TI, dass ­viele der Angaben zu vage seien: Ob sich hinter der Bezeichnung „Berater“, „Freiberufler“, „Manager“ oder Kürzeln wie „RvC FMO“ oder „ASDCAM“ Interessen verbergen, die mit dem öffentlichen Auftrag kollidieren, sei nicht aus­zumachen. Hier sei mehr Transparenz vonnöten.